Profil:Janet Yellen

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Janet Yellen, die Notenbankchefin aus kleinbürgerlichem Milieu mit großer Aufgabe. (Foto: Kevin Lamarque/Reuters)

Notenbankpräsidentin aus kleinbürgerlichem Milieu mit großer Aufgabe

Von Nikolaus Piper

Was Hillary Clinton anstrebt - Janet Yellen hat es bereits geschafft: Sie ist die erste Frau in ihrem traditionsreichen Amt. Am 3. Februar 2013 war sie in das Büro des Präsidenten der Federal Reserve an der Constitution Avenue in Washington eingezogen, dem Sitz der US-Notenbank. Seither bestimmt sie, wie vor ihr schon 14 Männer seit 1913, die Geschicke der amerikanischen Geldpolitik und indirekt auch die der Weltwirtschaft. Wer im Weißen Haus residiert, mag immer noch der mächtigste Mensch auf der Erde sein, Janet Yellen, 70, hat es, laut dem Magazin Forbes jedenfalls, immerhin zur drittmächtigsten Frau weltweit gebracht (nach Angela Merkel und Hillary Clinton).

An diesem Freitag zeigte sich wieder, welch zentrale Rolle Yellen in der Weltwirtschaft spielt. In Jackson Hole, wo sich alljährlich Ende August Notenbanker und Ökonomen zu einem Symposium treffen, sprach sie über die Geldpolitik der USA. Schon Tage vorher waren die Finanzmärkte wie gelähmt; alle warteten, ob und was sie zu den Zinsen sagen würde. Als sie dann gesprochen hatte, konnte man ihre Worte ungefähr so interpretieren: Die Wahrscheinlichkeit, dass die Zinsen im September erhöht werden, ist etwas gestiegen, aber sicher ist das keinesfalls.

Yellens Rolle lässt sich guten Gewissens als absurd bezeichnen. Fast noch nie in der Geschichte galt Geldpolitik als so wichtig wie heute, fast noch nie aber waren die handelnden Personen - neben Yellen vor allem ihr europäischer Kollege Mario Draghi - auch so unpopulär. Fachleute zumindest wissen, dass Yellens Vorgänger Ben Bernanke 2008 die Welt vor einer neuen Weltwirtschaftskrise gerettet hat. Jetzt aber herrscht tiefe Unsicherheit, weil die Geldpolitik nicht weniger wichtig, aber ineffektiv ist. Yellen und Draghi schaffen es trotz radikaler Maßnahmen, darunter Negativzinsen, nicht, ihre Ziele zu erreichen: vor allem etwas höhere Inflationsraten, die dem Wachstum guttun würden. Heute haben nur noch 38 Prozent aller Amerikaner eine hohe Meinung von der Fed, vor der Finanzkrise waren es 53 Prozent.

Wie kaum einer ihrer Vorgänger verknüpft Yellen ihre Politik mit dem Ziel, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Das mag ein Stück weit auch mit ihrer Herkunft zu tun haben. Yellen, geboren 1946, wuchs als Tochter eines Arztes in Bay Ridge auf, einem kleinbürgerlichen Stadtteil von Brooklyn, in dem damals vor allem irische, jüdische, italienische und libanesische Einwanderer lebten. Ihre High School zeichnete sich dadurch aus, dass die Lehrer sich über alte Klischees von der Rolle der Geschlechter hinwegsetzten und Mädchen nach Kräften förderten, wie sich eine Mitschülerin erinnert.

Ihren Doktor in Wirtschaftswissenschaften machte Yellen in Yale, die Dissertation betreuten James Tobin und Joseph Stiglitz, zwei berühmte keynesianische Ökonomen, die später den Nobelpreis bekommen sollten. Bei dieser Vorprägung ist es kein Wunder, dass Yellen als links gilt, oder, wie man unter Notenbankern sagt, als "Taube", die ein wenig Inflation eher akzeptiert as Arbeitslosigkeit.

Verheiratet ist Yellen ebenfalls mit einem Nobelpreisträger, dem Ökonomen George Akerlof. Beide haben eine besondere Beziehung zu Deutschland. Kurz nach der Wiedervereinigung, im März 1991, legten sie, zusammen mit zwei weiteren Ökonomen, ein Papier vor, in dem sie den Deutschen einen Beschäftigungsdeal vorschlugen: Die Arbeitnehmer in den ehemaligen DDR-Betrieben sollten auf Lohnerhöhungen verzichten und dafür mit Lohnsubventionen entschädigt werden. Zu dem Deal kam es nie.

Sollte Donald Trump Präsident werden, dürften Yellens Tage an der Spitze der Fed gezählt sein. Ihre reguläre Amtszeit endet im Februar 2018. Trump erklärte bereits zweimal, dass er sie ersetzen wolle. Das eine Mal warf er ihr vor, die Zinsen zu lange zu niedrig gelassen haben. Das zweite Mal, dass sie beabsichtige, die Zinsen zu erhöhen.

© SZ vom 27.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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