Profil:Jacek Czaputowicz

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Polens neuer Außenminister soll nun auf Befriedungsmission gehen.

Von Florian Hassel

Der 9. März 2017 war aus Sicht der nationalpopulistischen Regierung in Warschau eine Katastrophe. Damals beschlossen 27 Staats- und Regierungschefs der EU, den Polen Donald Tusk als Präsidenten des Europäischen Rates zu bestätigen. Einzige Ausnahme: Polen. Denn Tusk ist ein politischer Erzfeind Jarosław Kaczyńskis, des Anführers der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (Pis) und starken Mannes des Landes. Also musste die damalige polnische Ministerpräsidentin Beata Szydło gegen Tusk stimmen.

Kaczyński ließ noch weitere Parteisoldaten zum Kampf gegen Brüssel im Allgemeinen und Tusk im Besonderen antreten. So veröffentlichte Jacek Czaputowicz, ein Politologieprofessor und Mitglied des Pis-Programmrates, kurz nach der Bestätigung Tusks im Amt einen Artikel mit der Kernaussage: Die Wahl sei undemokratisch, ja rechtswidrig gewesen. So sei nicht wirklich über eine von Warschau im letzten Moment präsentierte Gegenkandidatur eines polnischen Europarlamentariers abgestimmt worden. Der Aufsatz des Professors gehörte zu einer Serie von Propagandaattacken der Pis gegen Tusk und die EU. Doch ab jetzt wird Czaputowicz andere Töne anschlagen müssen: Seit Dienstag ist der 61 Jahre alte, verheiratete Vater von fünf Töchtern neuer Außenminister seines Landes.

Czaputowicz erkundete internationale Beziehungen bisher vor allem in der Theorie: Rund hundert Bücher und Aufsätze zu internationalen Fragen hat er veröffentlicht. Seine politischen Überzeugungen ließ er sich schon früh einiges kosten. In den Siebziger- und Achtzigerjahren saß er als Gegner der kommunistischen Herrschaft in polnischen Gefängnissen. Anfang der Neunziger, nach dem Ende der kommunistischen Herrschaft, wurde er Leiter der Konsularabteilung im Außenministerium. Unter der von Kaczyński geführten ersten Pis-Regierung 2005 bis 2007 stieg Czaputowicz zum Chef des Planungsstabes des Außenministeriums auf. Nach dem Fall der ersten Pis-Regierung leitete er die Staatliche Schule für Öffentliche Verwaltung. 2014 wurde er Mitglied des Programmrates der Pis, dem starken Führungszirkel um Kaczyński.

Ende 2017 wurde Czaputowicz Vize-Außenminister - offenbar als Aufpasser der Partei. Denn der damalige Außenminister Witold Waszczykowski hatte sich mit undiplomatischen Bemerkungen weder in Brüssel noch anderswo Freunde gemacht. Czaputowiczs Mission sei es nun nicht nur, den Streit mit der EU beizulegen, sondern auch generell "die Feuer auszutreten, die Waszczykowski entfacht hat", urteilt die Zeitung Dziennik Gazeta Prawna. Da geht es etwa um das zuletzt im Zwist über die richtige Geschichtserinnerung zerrüttete Verhältnis zur Ukraine.

Czaputowiczs erste Reise aber geht nach Sofia. Dort soll er bei der bulgarischen Regierung, die derzeit den EU-Vorsitz führt, dafür werben, sich beim Vorantreiben des EU-Rechtsstaatlichkeitsverfahrens gegen Polen viel Zeit zu lassen. Danach will Czaputowicz in Berlin Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) besuchen, bevor er kommende Woche nach New York reist, wo Polen für zwei Jahre Mitglied des UN-Sicherheitsrates wird.

So rege das Reisen des neuen Außenministers auch sein mag, so fraglich ist sein Einfluss. Czaputowicz war nicht die erste Wahl für das Amt: Lange galt der für Europafragen zuständige Abteilungsleiter des polnischen Präsidenten Andrzej Duda als Favorit. Mit der Ernennung Czaputowiczs wollte Pis-Chef Kaczyński aber offenbar verhindern, dass der zunehmend selbstbewusstere Präsident seinen Einfluss auf die Außenpolitik ausweitet. Wichtige außenpolitische Termine wie bei EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker vertraut Kaczyński ohnehin nicht dem Außenminister an, sondern Premier Mateusz Morawiecki. Und wenn es besonders kritisch ist, trifft Kaczyński ausländische Regierungschefs oder deren Gesandte persönlich.

© SZ vom 11.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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