Profil:Isabel Allende

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Die chilenische Sozialistin ist auf den Spuren ihres berühmten Vaters.

Von Boris Herrmann

Isabel Allende, 72, hat Isabel Allende, 70, noch nicht gratuliert. Zumindest nicht öffentlich. Die weltberühmte chilenische Schriftstellerin mit Wohnsitz in New York hat vermutlich anderes zu tun, als sich um die politische Karriere ihrer nicht ganz so berühmten Großcousine im fernen Santiago zu kümmern. Die Großcousine allerdings, Isabel Allende Bussi mit vollem Namen, gratulierte sich am Sonntagabend chilenischer Zeit einfach selbst. Sie sprach nach ihrer Wahl zur Vorsitzenden der Sozialistischen Partei Chiles von einem "historischen Tag". Nicht ganz ohne Grund. Erstmals seit 82 Jahren wird der Partido Socialista (PS) nun von einer Frau angeführt. Und dass diese Frau die Tochter des ehemaligen Präsidenten und Partei-Idols Salvador Allende ist, macht die Sache gleich noch ein bisschen geschichtsträchtiger.

Geschichte ist in Chile fester Bestandteil der Gegenwart. Das Leben Isabel Allendes ist von den Erfahrungen jenes 11. Septembers geprägt, den Santiago im Jahre 1973 erlebte. Die damals 28-Jährige war am Morgen dieses Tages mit ihrem Vater und ihrer älteren Schwester Beatriz im Präsidentenpalast La Moneda, als die Putschisten um General Augusto Pinochet anrückten. Erst kurz bevor die Bombardierung begann, konnte Salvador Allende seine beiden Töchter überreden, ihn alleine zurückzulassen und sich nach Hause durchzuschlagen. Dann schoss er sich, nach allem, was man weiß, im Namen der Demokratie in den Kopf.

Isabell Allende floh mit ihrer Familie ins Exil, zunächst nach Kuba, dann nach Mexiko. Ende der Achtzigerjahre kehrte sie nach Chile zurück und engagierte sich in der Partei ihres Vaters. 1993 wurde sie zur Abgeordneten gewählt, 2003 zur chilenischen Parlamentspräsidentin, im vergangenen Jahr übernahm sie als erste Frau den Vorsitz des chilenischen Senats.

Als Politikerin ruft Isabel Allende ihr Land ununterbrochen und gegen alle Widerstände dazu auf, die Verletzungen aus Zeiten der Diktatur zu heilen. Es sind jene Verletzungen, an denen auch sie selbst in ihrem Privatleben bis heute leidet. Mit dem Tod ihres Vaters begann eine geradezu gespenstische Kette von Suiziden in ihrer Familie. Im kubanischen Exil brachten sich ihre Schwester Beatriz sowie ihre Tante Laura Allende um. Ihr Sohn Gonzalo Meza nahm sich 2010 im Alter von 45 Jahren das Leben.

Sie hat es trotzdem geschafft, nicht zu verbittern. Allende gilt als Frau des Dialoges, auch in ihrer zerstrittenen Partei. Ihr Vorgänger und Gegenkandidat Camilo Escalona hat sich zuletzt als scharfer Kritiker der angezählten Staatspräsidentin Michelle Bachelet profiliert. Mit Allende wird die Partei wieder näher an die Genossin in der Moneda heranrücken. Bachelet und Allende sind befreundet, sie kennen sich seit ihrer Kindheit. Beide verloren beim Militärputsch ihre Väter, beide flohen mit ihren Müttern aus dem Land. Jetzt stehen sie Seit' an Seit' an der Spitze einer immer noch jungen Demokratie.

© SZ vom 29.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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