Profil:Iljas Nikitin

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(Foto: oh)

Der russische Muslim ist zum Opfer eines falschen Terrorverdachts geworden.

Von Julian Hans

Der Mann, der als Bombenleger von Sankt Petersburg bekannt wurde, ist voll des Lobes für die russischen Sicherheitsbehörden. Geheimdienst und Polizei hätten effektiv und gut koordiniert gearbeitet, sagte Iljas Nikitin dem Portal Islamnews.ru. "Ich habe ihnen alle Fragen ausführlich beantwortet. Sie haben mir zugehört und mich verstanden. Ich bin rundum zufrieden." Aber was hilft es, wenn Muslime und Behörden das Richtige tun, wenn die Öffentlichkeit von ihrem einmal gefällten Urteil nicht lassen will?

Als am Montagnachmittag ein Sprengsatz in der Sankt Petersburger U-Bahn explodierte und 14 Menschen tötete, dauerte es nicht lange, bis russische Medien das Bild eines Verdächtigen verbreiteten, aufgenommen von einer Überwachungskamera. Der Mann sieht aus, wie sich Lieschen Müller und wohl auch Lisa Iwanowa einen islamistischen Terroristen vorstellen: langer Bart, schwarzes Gewand, runde Mütze auf dem Kopf. Iljas Nikitin erkennt sich wieder und geht sofort zur Polizei.

Nikitin wurde in der Republik Baschkirien im Süden Russlands geboren. Seine Eltern gaben ihm den Namen Andrej. Er besuchte die Militärhochschule der Luftlandetruppen in Rjasan bei Moskau und diente anschließend in Tschetschenien. Nach seiner Rückkehr quittierte er den Dienst, nahm den Islam an und nannte sich fortan Iljas. In Nischnewartowsk in Sibirien fand er eine Arbeit als Lastwagenfahrer.

Er habe sich auch deshalb beeilt, zur Polizei zu gehen, weil er sich nicht nur für sich verantwortlich fühle, sondern für die ganze Umma, die Glaubensgemeinschaft der Muslime, sagte er. Ein Fernsehsender hatte Aufnahmen gezeigt, auf denen Nikitin vor einer Moschee zu sehen war, bevor er sich auf den Weg zur U-Bahn macht.

Doch selbst nachdem die Ermittler den wahren Täter ausgemacht haben - einen 22-jährigen Mann aus Kirgisistan, der nur einen kurzen Kinnbart trug und eine Winterjacke mit Kapuze - endete der Albtraum für Nikitin noch nicht. Reporter lauerten ihm auf, das Boulevard-Portal Life.ru nannte ihn weiterhin den "mutmaßlichen Selbstmordattentäter". Als er dann am Dienstag nach einem Zwischenstopp in Moskau zu seiner Familie in Baschkirien weiterfliegen wollte, bestanden ängstliche Passagiere darauf, dass der Mann im langen Gewand nicht an Bord gehen dürfe. Selbst das Sicherheitspersonal am Flughafen Wnukowo konnte sie nicht beruhigen. "Lasst mich doch einfach mein Leben leben", flehte Nikitin.

In Moskau erreichte ihn auch die Nachricht, sein Arbeitgeber habe ihn entlassen, auf dringendes Anraten des örtlichen Ermittlungskomitees. Diese Behörde ist in Petersburg an den Untersuchungen des Anschlags beteiligt, sie hatte Nikitin gehen lassen. Die Beamten in Nischnewartowsk dementierten, Druck ausgeübt zu haben. Am Donnerstag teilte Nikitin dann via Islamnews.ru mit: "Ich werde in Kürze an meinen Arbeitsplatz zurückkehren." Sein Arbeitgeber halte zu ihm.

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