Profil:Ilich Ramírez Sánchez

Prozess gegen Ex-Top-Terrorist ´Carlos"; Carlos

Foto: Thomas Coex/dpa

Deckname: Carlos, der Schakal; Beruf: Superterrorist; Stand: dreimal lebenslang.

Von Hans Leyendecker

Ilich Ramírez Sánchez, genannt "Carlos, der Schakal", sagt von sich selbst, er sei ein "großer Schwätzer" - und das ist ausnahmsweise keine Übertreibung. Mehr als sein halbes Leben lang schwafelt der heute 67 Jahre alte Terrorist schon von der Weltrevolution. Selbst die Stasi, die ihm einst im Namen des Antiimperialismus und des Antizionismus half, fand ihn schlimm. In vertraulichen Papieren nannte sie ihn einen "größenwahnsinnigen Mörder".

Der gebürtige Venezolaner brüstete sich, für 1500 bis 2000 Todesopfer verantwortlich zu sein; er selbst will achtzig von ihnen selbst umgebracht haben. Das mag stimmen oder nicht. In Paris wurde er am Dienstag zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt, weil er vor mehr als 42 Jahren bei einer Handgranatenattacke in einer Einkaufsgalerie zwei Menschen getötet haben soll. Wegen anderer Morde und Anschläge hatten ihn französische Gerichte schon vor Jahren bereits zweimal zu lebenslanger Haft verurteilt.

Carlos vor Gericht: Das ist jedes Mal so, als ob ein Gespenst eine Vorstellung gibt. In den Siebziger- und den Achtzigerjahren war Carlos ein dicker Knoten im Netzwerk des Terrorismus. Mit Wadi Haddad, dem Gründer der Terrororganisation PFLP, war er zeitweise eng verbunden. Er unterhielt beste Beziehungen zur RAF, zu den Revolutionären Zellen, zur korsischen FLNC und zur baskischen ETA. Auch mit den Fanatikern der Action directe in Frankreich, der italienischen Roten Brigaden und der japanischen Roten Armee war er gut bekannt. Sie zogen an hundert Stricken und betrachteten dennoch einander mit Argwohn, manchmal mit Hass.

Carlos war anders als die anderen. Sein Vater, ein reicher venezolanischer Anwalt und Salonbolschewist, benannte seine Söhne nach Lenin. So kam Carlos an den Vornamen Ilich. Arbeiten musste er nie. Er machte gleich auf Revolution. Luxuriös lebte er lange Zeit in Syrien, in Ungarn und in Libanon im Untergrund. Mit dem Namen des Schakals, dessen Geschichte Stoff für viele Bücher und Filme lieferte, ist vor allem der Anschlag auf das Wiener Opec-Hauptquartier 1975 verbunden. Drei Menschen starben. Als sieben Jahre später seine damalige Frau, Magdalena Kopp, in Paris verhaftet wurde, versuchte der Schakal, sie mit einer Serie von Attentaten freizupressen.

Sein Spitzname ist die Anlehnung an eine Romanfigur. "Der Schakal" hieß ein Roman von Frederick Forsyth von 1971. Die Romanfigur war ein stiller, anonymer Einzeltäter, der minutiös ein Attentat auf den französischen Präsidenten Charles de Gaulle plante. Der Anschlag scheiterte in letzter Sekunde.

Der gnadenlose Carlos hingegen war ruhmsüchtig, und er liebt bis heute den blutigen Mythos, der ihn umgibt. 1994 entführte ihn der französische Geheimdienst aus seinem letzten Versteck im Sudan. Seitdem inszeniert er sich immer wieder aufs Neue vor Gericht. Dabei ist seine Form des Terrors im Strom der Geschichte längst untergegangen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: