Profil:Hedi Slimane

Profil: Hedi Slimane: Modeschöpfender Goldjunge, wird als Nachfolger von Karl Lagerfeld gehandelt.

Hedi Slimane: Modeschöpfender Goldjunge, wird als Nachfolger von Karl Lagerfeld gehandelt.

Goldjunge unter den Designern, der jetzt kein Modehaus mehr hat.

Von Silke Wichert

Dieser Abgang ist dann doch ein bisschen fad für einen wie ihn. Gerüchte kursierten seit Monaten, dementiert wurde nichts. Die Nachricht, dass der gefeierte Designer Hedi Slimane das Haus Yves Saint Laurent jetzt verlässt, kommt also etwa so überraschend wie eine Präsidentschaftskandidatur von Hillary Clinton. Und dann wurde auch noch bis zum letzten Tag der vierjährigen Vertragsdauer gewartet. An diesem Freitag verschickte der Luxuskonzern Kering, zu dem Yves Saint Laurent gehört, lediglich eine Pressemitteilung. Denkbar unspektakulär dankte man Hedi Slimane darin seinen großen Verdiensten. Die beliefen sich - in Erlösen gerechnet - im abgelaufenen Geschäftsjahr auf knapp eine Milliarde Euro.

Dabei hatte es so aufregend angefangen mit diesem eigenwilligen Franzosen, der als Sohn einer Italienerin und eines Tunesiers 1968 in Paris geboren wurde. Kaum im neuen Job angekommen, strich Slimane als erstes das "Yves" des großen Gründers, die Prêt-à-porter-Linie hieß fortan "Saint Laurent". Das Designatelier des urfranzösischen Labels ließ er von Paris in seine Wahlheimat Los Angeles verlegen. Und statt einer braven Hommage zeigte er eine so rockige wie sexy Debüt-Kollektion, die Modekritiker als eine Mischung aus Flohmarkt und H & M-Fummel verspotteten. Die Preise setzte Slimane trotzdem deutlich nach oben. Ergebnis: Die Umsätze schossen in die Höhe.

Der 47-Jährige ist tatsächlich ein Ausnahmetalent. Slimane hat Kunstgeschichte, aber nie Mode studiert. 1996 hatte Yves Saint Laurent ihn persönlich in sein Unternehmen geholt, doch Slimane musste gehen, als die Gucci-Gruppe das Modehaus übernahm und Tom Ford mitbrachte. Er wechselte zu Dior Homme - und krempelte von dort mal eben die Männermode um. Karl Lagerfeld bekennt bis heute, sich nur deshalb auf die Hälfte heruntergehungert zu haben, um in "Hedis" ultraschmale Silhouette zu passen.

In den letzten vier Jahren hat Slimane das Wort "Creative Director" für die Modebranche neu definiert. Die Klamotten sind das eine, das Drumherum, die Werbung, die Shows, die Rockstars, die man einkleidet, sind mindestens genauso wichtig fürs Geschäft. Und Slimane hat alles kontrolliert. Dass er für die Verherrlichung des "Heroin Chics" kritisiert wurde, weil seine Models klapperdürr in kaputten Strumpfhosen liefen? Slimane machte ungerührt weiter wie bisher. Allein im letzten Quartal 2015 stiegen die Einnahmen noch einmal um 37,8 Prozent.

Den Blick für den Zeitgeist hat er womöglich bei seiner eigentlichen großen Leidenschaft entwickelt: Schon mit elf Jahren begann er zu fotografieren. Zuletzt zeigten seine Schwarz-Weiß-Aufnahmen häufig die Jugend von Los Angeles. Was sie trug beziehungsweise tragen wollte, sah man hinterher auf den Saint-Laurent-Laufstegen: "Sexy Rock Chic".

Bleibt die Frage: Warum geht er eigentlich? Auf der Höhe seines Erfolges? Slimane gilt als schwierig, Dior verließ er 2007 im Streit, zuletzt sollen seine Ansprüche und die Kosten für Showspektakel immer größer geworden sein. Das einzige nennenswerte Interview gab der scheue Designer 2015 nicht etwa der Vogue, sondern Yahoo. Die Modeleute ein bisschen zu ärgern macht Slimane offensichtlich Spaß. Deren Kritik verträgt er nämlich nicht gut: Die damals wichtigste Modejournalistin der New York Times, Cathy Horyn, verbannte er von seiner ersten Show und beschimpfte sie als "Schulhof-Tyrannin".

Mit Hedi Slimane erlebt die Modewelt nach Raf Simons bei Dior und Albert Elbaz bei Lanvin nun einen weiteren spektakulären Abgang. Sein Nachfolger wird mit großer Wahrscheinlichkeit der Belgier Anthony Vaccarello, der wenig überraschend, vor allem für eine sexy Silhouette bekannt ist. Slimane selbst? Dazu gibt es in der klatschfreudigen Branche natürlich auch schon Gerüchte. Manche halten für möglich, dass er der Auserkorene für die Nachfolge von Karl Lagerfeld bei Chanel sei.

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