Profil:Erdoğans Mann für Geheimnisse

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Hakan Fidan, 48 Jahre alt und seit 2010 Chef des MİT. (Foto: AFP/Getty Images)

Hakan Fidan ist der Chef des türkischen Geheimdienstes MİT. Mit Erdoğan ging er durch gute und schlechte Zeiten. Doch die Putschnacht hat das Vertrauen des Präsidenten in den Dienst erschüttert.

Porträt von Mike Szymanski

Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan hat Hakan Fidan einmal sır küpüm, seinen Tonkrug für Geheimnisse genannt. Das ist eine hübsch altmodische Umschreibung für einen Geheimnishüter. Es klang so, als könne man Fidan sein Innerstes anvertrauen. Fest steht allerdings, dass Fidan schon auch selber nachforscht. Er leitet den türkischen Geheimdienst MİT.

Die Behörde soll 8000 Mitarbeiter beschäftigen. Seit einigen Tagen hat man auch hierzulande einen Eindruck von den Tätigkeiten des MİT bekommen. Gerade wurde bekannt, dass Fidan den deutschen Sicherheitsbehörden Listen mit echten und vermeintlichen Gülen-Anhängern in Deutschland überreicht hat. Die Namen von mehr als 300 Leuten. Darunter sind auch deutsche Politikerinnen.

Ankara macht die Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen für den Putschversuch im Sommer 2016 verantwortlich. Fidan erwartete nun von Deutschland Amtshilfe bei der Verfolgung mutmaßlicher "Gülenisten". Doch statt Kooperation gibt es Ärger und die Erkenntnis, wie sehr der MİT offenbar auch in Deutschland türkische Landsleute ausspioniert.

Fidan, 48 Jahre alt und seit 2010 auf diesem Posten, müsste eigentlich die deutschen Befindlichkeiten kennen. Als Nato-Verbindungsoffizier war er drei Jahre in Deutschland stationiert. Aber wenn es um die Gülen-Bewegung geht, sind der Regierung in Ankara mittlerweile offenbar alle Mittel recht. Für sie sind deren Anhänger nur noch "Terroristen". Dabei hatte Erdoğan seinen Aufstieg Gülens Netzwerk zu verdanken. Sie waren einmal Partner.

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Zum Konflikt kam es 2012, und Fidan spielte eine zentrale Rolle. Erdoğan hatte seinen MİT-Chef beauftragt, Geheimverhandlungen mit der terroristischen PKK aufzunehmen. Er wollte den Kurdenkonflikt beilegen. Damals soll Gülen zum ersten Mal die Machtprobe gesucht haben. Ein der Bewegung nahestehender Staatsanwalt wollte Fidan wegen Kontakten zu einer Terrororganisation verhaften. Ein beispielloser Vorgang. Erdoğan schützte seinen Mann. Dieses Erlebnis dürfte auch Fidans persönlichen Eifer heute erklären.

Er und Erdoğan sind, wie es so schön heißt, durch gute und schlechte Zeiten gegangen. Unter Regie des MİT sollen Waffen an syrische Extremisten geliefert worden sein. Details darüber sind im Tonkrug der Geheimnisse abgelegt. Wer sich, wie Journalisten der Zeitung Cumhuriyet, daranmacht, ihn zu öffnen, muss mit Gefängnisstrafen rechnen.

Zur Belastung für das enge Verhältnis zwischen Fidan und Erdoğan wurde das Versagen des MİT beim Putschversuch. Obwohl Fidans Behörde etwa sechs Stunden vor Beginn des Aufstands Erkenntnisse über sonderbare Aktivitäten im Militär hatte, versäumte er es, Präsident Erdoğan und den Premier persönlich zu informieren. Die Putschnacht hat Erdoğans Vertrauen in den Dienst erschüttert. Er will ihn grundlegend umbauen. Womöglich ist Fidan nur noch der Mann für den Übergang.

© SZ vom 31.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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