Profil:Gerhard Schröder

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Ex-Kanzler mit Ein-Euro-Job als Schlichter im Supermarktgewerbe. (Foto: Swen Pförtner/dpa)

Der Altkanzler und jetzige Schlichter mit einem Ein-Euro-Job.

Von Nico Fried

Die Rivalität der Supermarkt-Ketten Edeka und Rewe kennt der Verbraucher Gerhard Schröder aus persönlichem Erleben: Dem Reihenendhaus des ehemaligen Bundeskanzlers in Hannover schräg gegenüber befindet sich ein Edeka-Laden. Er wurde berühmt, als die Inhaberin Anke Kasper 2002 kurz nach dem Einzug der prominenten Familie für die Harald-Schmidt-Show interviewt wurde und dabei für ihre Leberpastete mit Preiselbeeren werben konnte. Wie sich herausstellte, besuchten die Schröders den Laden dann aber gar nicht so oft. Die Welt zitierte Frau Kasper einige Jahre später jedenfalls mit dem Satz: "Die fahren zu HL." Und HL, man ahnt es schon, gehört zu Rewe.

Es muss dem Altkanzler deshalb nicht gleich Voreingenommenheit unterstellt werden, wenn er nun versucht, den Streit der beiden Konzerne um die Zukunft von Kaiser's Tengelmann zu schlichten. Der Auftrag für Gerhard Schröder, 72, besteht darin, durch einen Ausgleich zwischen den Konkurrenten möglichst viele Arbeitsplätze zu retten; und mit Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel gleich noch einen SPD-Politiker, den er mitentdeckt und maßgeblich gefördert hat. Wenn ihm all das gelingen sollte, hätte es für Schröder den angenehmen Nebeneffekt, dass er Lackschäden an seinem öffentlichen Bild ein wenig restaurieren könnte.

Der von Kritikern wegen seines Aufsichtsratsmandates beim Pipeline-Projekt Northstream gelegentlich als Gazprom-Gerd verunglimpfte Schröder wirkt mit seinem Einsatz für die Arbeitnehmer von Kaiser's Tengelmann auf ur-sozialdemokratischem Terrain - und das faktisch ehrenamtlich: Als Honorar erhält Schröder von den beteiligten Firmen den symbolischen Betrag von einem Euro. Freilich ist sein Vermächtnis als Retter in der Not wegen der missglückten Sanierung des Baukonzerns Holzmann auch nicht ungetrübt.

Eine gewisse Genugtuung dürfte es dem Kanzler der Agenda-Politik bereiten, dass - neben dem wegen seiner Ministererlaubnis für Edeka in Not geratenen Sigmar Gabriel - der Verdi-Vorsitzende Frank Bsirske Schröders Engagement mit auf den Weg gebracht hat. Damit setzt ein Gewerkschaftschef alle Hoffnung auf Schröder, der diesen 2004 beschimpft hat, seine Reformpolitik sei "sozial ungerecht und ökonomisch schädlich", Hartz-IV ein "Verarmungsprogramm für Arbeitslose" und der Kanzler insgesamt "gescheitert".

Für Gabriel wiederum macht es Schröder sowieso gerne. Der lausige Start seiner rot-grünen Bundesregierung in die zweite Legislaturperiode belastete 2003 Gabriels Wahlkampf in Niedersachsen; den Rest erledigte der junge Ministerpräsident mit eigenen Fehlern. Trotzdem hält Schröder angeblich den Mann, der ihm in Stimmlage, Dialekt, Flapsigkeit und manchmal auch politischem Talent durchaus ähnelt, für den besten Kanzlerkandidaten der SPD 2017. Ob Gabriel diese Aufgabe noch übernehmen kann, hängt auch vom Erfolg des Schlichters Schröder ab.

© SZ vom 26.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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