Profil:Gerd Müller

Profil: Gerd Müller, Minister mit der Zuständigkeit für das gute Gewissen der CSU.

Gerd Müller, Minister mit der Zuständigkeit für das gute Gewissen der CSU.

(Foto: Reuters)

Entwicklungsminister, zuständig für das gute Gewissen der CSU.

Von Stefan Braun

Abends im Hotel, Oktober 2015, die Kanzlerin besucht Indien. In ihrem Tross ist auch Gerd Müller, 60, in das Land gekommen. Eigentlich würde es nun um Hilfe für die Ärmsten gehen. Oder um Aufträge für die deutsche Wirtschaft. Müller aber redet über die Flüchtlingskrise. "Die Lage wird immer schlimmer", sagt er. "Wir müssen sehen, was da auf uns zukommt. Wir müssen was tun, sonst droht Schlimmstes."

Der Mann aus dem Allgäu hatte das Gespräch eigentlich ganz ruhig angefangen. Er will ja besonnen wirken. Nach wenigen Minuten aber redet er ohne Punkt und Komma. Wer jetzt eine Frage einwirft, zerschellt an einer Wand aus Mahnungen, Warnungen, Ausrufezeichen. "Ich habe es Ihnen schon immer gesagt! Wenn wir jetzt nicht aufwachen, werden Millionen kommen! Ja, sieht das denn keiner!"

Müllers Auftritt ist interessant, er erzählt viel über diesen Minister. Denn so, wie er diesen Auftritt im Luxushotel Taj Mahal hinlegt, klingt er nach: Merkel muss endlich das Steuer rumreißen. Doch kaum wird dieser Eindruck geäußert, erklärt derselbe Müller mit Inbrunst, dass er die Kanzlerin - Nein! Nein! - wirklich nicht kritisieren wollte. Er wolle nur darauf hinweisen, dass in der Welt da draußen mehr für die Menschen getan werden müsse. Zusammenarbeit, Klimapolitik, Entwicklungshilfe.

Ach so, hat man da gedacht. Und ist verwirrt von dannen geschritten. Bis man sich daran erinnert hat, dass der Mann von der CSU ist und zugleich Entwicklungsminister. Er gehört also jener Regierungspartei an, aus der heraus schon früh im Herbst nach Begrenzung, Grenzkontrollen, Obergrenze gerufen wurde. Zur selben Zeit soll der CSU-Mann das gute Gewissen sein in der Regierung, soll für das Gute im Menschen kämpfen, soll Fairness, Ausgleich, globales Miteinander über die Welt bringen.

So gesehen passt es wieder, dass Müller erst mal drauflos brüllt und danach ganz samtpfötig auf dem Boden Platz nimmt. Müller hat's schwer in seiner doppelten Rolle. Er sucht nach Bedeutung und will doch keinen Streit haben.

Dabei kann man dem CSU-Abgeordneten, dem früheren Staatssekretär im Landwirtschaftministerium, eines nicht absprechen: Er kämpft leidenschaftlich für seine Aufgabe. Seit Dezember 2013 leitet er das Ministerium. Und obwohl er in den acht Jahren davor nicht berühmt war für Ausflüge in die Welt der Entwicklungspolitik, schlüpfte er schneller in die Rolle als seine Vorgänger. Im Vergleich zum FDP-Mann Dirk Niebel war das keine Leistung; im Vergleich zur roten Heidi, der linken Sozialdemokratin Wieczorek-Zeul, ist es umso bemerkenswerter. Sie nämlich genoss von Anfang an die leise Unterstützung Gerhard Schröders, weil dem gefiel, wie ihre Penetranz den grünen Außenminister Joschka Fischer nervte.

Auf eine solche, heimliche Rückendeckung kann Müller nicht hoffen. Mit seinem Parteichef Horst Seehofer verbindet ihn wenig, und wenn, dann ist es Abneigung. Und die Kanzlerin wird seine Initiativen oft zwar nicht falsch finden. Aber sie hat mit Euro-Krise, Ukraine-Konflikt und Flüchtlingsproblematik zu viele und zu ernste Aufgaben, als dass sie sich der seinigen intensiver annehmen könnte.

Und so kommt es, dass Müller schönste Sachen sagt und den meisten Menschen trotzdem unbekannt ist. Er kämpft gegen die miserablen Bedingungen in den Textilfabriken der Dritten Welt. Er ruft nach Milliarden für die Flüchtlinge und gegen den Klimawandel. Er wirft dem Westen vor, seinen "Wohlstand auf dem Rücken der Entwicklungsländer" gebaut zu haben. Echte Wirkung aber entfaltete er mit einer anderen Botschaft. Auf einem Musikfestival in Washington zum Kampf gegen den Hunger wurde er auf die Bühne gerufen. Also schwärmte er von der Begeisterung der jungen Leute und rief in die Menge: "I love you all." Seither hat er, was vielen seiner Kollegen fehlt: einen Youtube-Auftritt, der Kult ist.

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