Profil:Freddy Nock

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(Foto: oh)

"Ich mag die Höhe, den Nervenkitzel, das Gefährliche": Der Schweizer Seilläufer Freddy Nock begibt sich auf Touren, die vor ihm kein Mensch erwogen hat - auch mal zwischen zwei Dreitausendern in den Alpen.

Von Heiner Effern

Wenn Freddy Nock über seine Leidenschaft plaudert, nennt er sich schlicht Seilläufer. Als ob dies ein Pendant wäre zum Marathonläufer. Dabei schwebt der 50 Jahre alte Schweizer über einem tödlichen Abgrund, wenn er die ersten Schritte getan hat. Wie im März, als er nahe St. Moritz zwischen dem Biancograt am Piz Bernina und dem Piz Prievlus in mehr als 3500 Metern Höhe balancierte. 347 Meter legte er zwischen den beiden Alpenbergen auf einem 18 Millimeter dicken Kunststoffseil zurück. Als einziges Hilfsmittel hatte er eine lange Balancierstange in den Händen, gesichert ist er grundsätzlich nicht. Nock hat damit nach eigenen Angaben einen Weltrekord aufgestellt - für den höchsten Seillauf jemals.

"Ich mag die Höhe, den Nervenkitzel, das Gefährliche. Wenn ich das nicht spüre, bin ich unglücklich", sagt Nock. Am liebsten begibt er sich auf Touren, die vor ihm kein Mensch erwogen oder geschafft hat. Nock lief 1998 auf dem Tragseil der Signalbahn in St. Moritz den Berg hinauf. Elf Jahre später bezwang er auf gleiche Weise die Zugspitze. 2011 zählt er in seiner Biografie sieben Rekorde in sieben Tagen in den Alpen auf. Die Jagd nach Bestmarken dient aber nicht nur der Leidenschaft, Nock lebt als Professional Extrem Artist, wie er sich offiziell nennt, vom Nervenkitzel.

Angefangen hat er als fünfjähriger Bub in der heimischen Manege. Seit mehr als 150 Jahren führt seine Familie einen Zirkus in der Schweiz. Auch der Vater und der Großvater arbeiteten auf dem Seil. Doch Freddy Nock spürte früh, dass ihm ein Zirkuszelt zu eng werden könnte. "Ich wollte immer höher hinaus. Viel höher als alle anderen." Der Artist musste auch mit Schmerzen lernen, dass dieser Drang Gefahren birgt. Mit 23 Jahren stürzte er im Zirkus kopfüber vier Meter in die Tiefe und brach sich beide Handgelenke. "Das war ein Tritt in den Arsch zur rechten Zeit. Da war ich übermütig", sagt Nock.

Vor gut 15 Jahren entschloss er sich, aus dem Zirkusleben auszusteigen, der Kinder wegen. Nock kommt auf sieben, wenn er alle aus dem Patchwork-Geflecht seiner Familie aufzählt. Angst, dass er sie mit einem Fehltritt alleine zurücklassen könnte, kennt er nicht. Wenn er doch mal straucheln sollte, greifen jahrzehntelang einstudierte Reflexe. "Ich habe trainiert, wie man stürzt und sich fängt." Nock vertraut seinem Können, seiner Erfahrung und "Engeln, die immer um mich sind, um mich zu beschützen". Wenn er spürt, dass in diesem Paket die Balance nicht stimmt, bricht er einen Rekordversuch ab.

Im März zum Beispiel wollte er blind von Berg zu Berg laufen, mit einem blickdichten Helm auf dem Kopf. Doch die Schwingungen im Seil waren zu stark, die Vorbereitungszeit wegen des schlechten Wetters der Vorwoche zu kurz. "Da habe ich mir gesagt: Lass es. Genieße diesen Blick, diese Wahnsinns-Location." Das tat er, bestens gelaunt schickte er vom Seil eine Kusshand zu den Kameras hinüber.

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