Profil:Enrique Peña Nieto

Mexikos belächelter Präsident, in der Krise gefordert und oft überfordert.

Von Boris Herrmann

Profil: undefined
(Foto: AP)

Enrique Peña Nieto war in der Luft, als die Erde zitterte. Mexikos Staatspräsident saß in einem Flugzeug in Richtung des Bundesstaates Oaxaca, wo er sich persönlich um die Geschädigten des Jahrhunderterdbebens vom 7. September kümmern wollte. Endlich, wie viele sagen. Peña Nieto war unterwegs, um einen nationalen Wiederaufbauplan für die besonders armen und besonders schwer betroffenen südlichen Regionen des Landes zu verkünden. Der Termin fiel aus. Auf halber Stecke wies der Präsident den Piloten an, wieder umzudrehen. Schon nach der ersten Nachricht von einem neuerlichen schweren Beben ahnte er offenbar, dass er in der Hauptstadt gebraucht werden würde. Als Peña Nietos Maschine dort ankam, war der internationale Flughafen in Mexiko-Stadt bereits gesperrt. Sie landete auf einer Militärbasis.

Präsident von Mexiko zu sein, das bedeutet in diesen Tagen vor allem: Koordinator der Katastrophenhilfe. Im Fall der Tragödie von Oaxaca hat die Regierung gerade ihren schlechten Ruf bestätigt. Tagelang warteten Verletzte und Obdachlose in den entlegenen Städten und Dörfern an der Pazifikküste auf strukturierte Hilfe. Peña Nieto, 51, trat dabei wieder einmal als großer Zauderer auf, als ein Anführer ohne Plan, der mal dies und mal das tut, bloß selten das Richtige. Diesmal will sich er offensichtlich nicht vorhalten lassen, zu spät, zu kühl und zu unkoordiniert zu reagieren.

Noch aus dem Flugzeug auf dem Rückweg in die schwer zertrümmerte Hauptstadt teilte er mit, dass er den Notfallplan "MX" aktiviert habe. Der sieht unter anderem den Einsatz der Armee für Rettungsarbeiten vor. Nach der Landung rief er sein Kabinett zu einer Notsitzung zusammen. Peña Nieto eilte auch zur eingestürzten Schule Enrique Rébsamen im Stadtteil Coapa, wo mindestens 21 Kinder unter den Trümmern starben, und tröstete verzweifelte Eltern. Zwischen all der Trauer, der Panik, der Ungewissheit entstand so immerhin der Eindruck: Der Chef kümmert sich.

Dieser 19. September wird ein besonders prägender Tag bleiben in den fünf Regierungsjahren des Juristen Peña Nieto. Noch am Vormittag hatte er bei einem Trauerakt der rund 10 000 Opfer des Erdbebens von 1985 gedacht, nur Stunden später überflog er im Helikopter eine apokalyptische Landschaft, in der erneut die Toten gezählt wurden. Darin sind sie traurige Experten im Land des ewigen Drogenkrieges, der Auftragskiller und der Straflosigkeit. An Tagen wie diesen zeigt sich aber auch die bemerkenswerte Solidarität in einer Bevölkerung, die gelernt hat, sich selbst zu helfen, weil ihr sonst niemand hilft.

Viele Mexikaner halten Peña Nieto für eine jämmerliche Marionette, die von den Kartellen im eigenen Land und von den Launen des Mexiko-Hassers im Weißen Haus gelenkt wird. Kurz vor dem Ende seiner verkorksten Amtszeit kann er nun beweisen, dass er doch imstande ist, einen würdigen Präsidenten abzugeben. Auf die Gelegenheit hätte er gewiss gerne verzichtet.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: