Profil:Elisabeth Spira

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Die Reporterin und Seelenforscherin greift jetzt in Österreichs Politik ein.

Von Cathrin Kahlweit

In dem kurzen Fernsehspot, in dem sie ausnahmsweise mal Protagonistin und nicht Regisseurin ist, zeigt sich Elizabeth Spira angriffslustig. Die 73-Jährige sitzt an ihrem Schreibtisch, der braune Lockenkopf leuchtet vor einem hellen Hintergrund, und Spira spricht entschieden in die Kamera: Sauer sei sie, wie wohl viele Menschen, dass sie am 2. Oktober schon wieder wählen gehen müsse, aber: "Wenn wir nicht wählen gehen, entscheidet wer anderer für uns. Und das will ich nicht." Sie bleibe daher "wahlmunter".

Wahlmunter - so heißt eine aktuelle Kampagne des Vereins SOS Mitmensch, der die Österreicher animieren will, trotz Wahlmüdigkeit zur Wiederholung der Stichwahl um das Bundespräsidentenamt zu gehen. "Tatort"-Kommissarin Adele Neuhauser ist dabei, Burgschauspieler Cornelius Obonya - und eben Elizabeth Spira. Sie verhehlt nicht, dass sie den grünen Kandidaten Alexander Van der Bellen unterstützt, der bereits die erste Stichwahl im Mai gewonnen hatte. Aber ihr geht es um mehr: um demokratische Kultur und Teilhabe. Spira beklagt den grassierenden Populismus und schimpft, dass sich "viele Menschen von blöden Zeitungen und Demagogen in die Irre führen" ließen. Flüchtlinge würden "wie Verbrecher behandelt", sagte sie kürzlich der Zeitung Kurier, und der Begriff Heimat werde missbraucht.

Hätte sie einen bürgerlichen Beruf ergriffen, wäre sie in Rente, aber die beliebte und populäre Filmemacherin und Geschichtenerzählerin ist so aktiv wie eh und je. Seit 40 Jahren hört sie Menschen zu - unter anderem in der Dokumentarfilmreihe "Alltagsgeschichte", in der sie immer aufs Neue durchs Land reiste und so lange fragte, bis ihre Akteure ihre Scheu verloren - und die letzte Schamschwelle auch.

Ein besonders abgründiges Ergebnis ihrer Streifzüge durch die Niederungen der Provinz stammt aus dem Jahr 1988. Der ORF mochte den Film all die Jahre nicht senden. Er zeigte ihn erst in diesem Sommer - und er hat irritierend aktuelle Bezüge: 1988 war Kurt Waldheim der Präsident der Österreicher, und Spira hörte an den Stammtischen zu, wie über Ausländer und Juden hergezogen wurde, wie sich alkoholisierte Bürger zu ehrwürdigen Patrioten und Heimatverteidigern ausriefen. "De Ausländer, de was zu uns einakumman, de kriagn an Fahrschein fürn D-Wagen, Südbahnhof, ab in de Heimat!", ist noch eine der zahmeren Bemerkungen. Die Journalistin dazu heute: Auch jetzt hätten "viele keine Probleme, braune Untertöne auszuspucken".

Elizabeth Spira, in Glasgow als Tochter jüdischer Emigranten geboren und später mit den Eltern nach Wien übersiedelt, ist mit noch einer Sendereihe bekannt geworden: "Liebesg'schichten und Heiratssachen". Sie sei keine Kupplerin, so Spira, sondern gebe Menschen auf der Suche nach Liebe Gelegenheit, sich "zu zeigen". Mit ihrem Wahlspot hat sich Spira selbst gezeigt, denn: Wählen sei ein Lebenselixier der Demokratie.

© SZ vom 02.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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