Profil:Édouard Philippe

Frankreichs neuer Premierminister aus dem Lager der Republikaner.

Von Christian Wernicke

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(Foto: Charly Triballeau/AFP)

Im nächsten Leben, so hat Édouard Philip-pe vor Jahren gestanden, würde er gern Dirigent werden. Orchester-Chef, das wäre ein Traum - "aber leider habe ich dafür kein Talent." Philippes Bescheidenheit be-zog sich allein auf seine musikalischen Gaben. Als Politiker, das bezeugen Weggefährten, plagen diesen 46-jährigen Abgeordneten und Bürgermeister der Hafenstadt Le Havre keine Selbstzweifel. Jetzt, da der hochgewachsene Mann einen riesigen Sprung nach oben gemacht hat, muss er sich als politischer Dirigent beweisen: Édouard Philippe ist der Chef von Frankreichs neuer Regierung.

Es gibt zwei Gründe, warum Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ausgerechnet Édouard Philippe zu seinem Premierminister auserkoren hat. Die beiden Männer, die sich 2011 erstmals bei einem Abendessen begegneten, eint erstens der-selbe Korpsgeist. Beide studierten an der renommierten Pariser Hochschule Sciences Po, beide absolvierten sie zwei harte Jahre an der École Nationale d'Administration (Ena), der Kaderschmiede der Republik. Und beide machten Karriere im Schatten hoher Herren: Macron diente seinem Amtsvorgänger Hollande, Philippe war bisher einer der engsten Vertrauten von Alain Juppé, dem Ex-Premier und gemäßigten Republikaner.

Eben das ist der zweite Grund für Philip-pes Berufung: Er ist Republikaner. Macron benutzt seinen Premier als Köder. Er will den gemäßigten Flügel der konservativen Opposition in seine Bewegung En Marche locken - und so Frankreichs Republikaner noch vor der Parlamentswahl im Juni schwächen und spalten. Prompt spielten die Republikaner am Montag die Personalie zum "Einzelfall" herunter, dem keine Mitläufer folgen würden. Derweil schrie Frankreichs Linke Zeter und Mordio: Mit Philippe als Regierungschef offenbare Macron sein wahres, sein rechtes Gesicht.

Tatsächlich ist Philippe eher ein Mann der Mitte. Und ein Grenzgänger, der politische Linien überschreitet. Nach seinem Abitur in Bonn (wo sein Vater Lehrer an einer französischen Schule war) reihte sich der Student zunächst auf der Linken ein. Philippe begeisterte sich für Michel Rocard, den Vordenker einer französischen Sozialdemokratie. Als Rocard scheiterte, wechselte Philippe ins Juppé-Lager. Gleichzeitig schuf er sich in Le Havre, einer lange Zeit kommunistisch regierten Stadt, eine politische Bastion. Vor einem halben Jahr noch hoffte Philippe, unter einem Präsidenten Juppé ins Hotel Matignon, den Pariser Amtssitz des Premiers, einziehen zu können. In jenen Tagen ließ Philippe eine böse Bemerkung fallen über Macron: "Er hat einen netten Kopf, aber da ist nichts drin - der ist total leer."

Nun marschiert Philippe mit Macron. Der Mann hat Fantasie, als Ko-Autor hat er zwei politische Romane mitgeschrieben. Und er kann kämpfen, als Hobbyboxer. Da lerne man einzustecken, sagt Philippe. Um dann zu versichern: "Aber ich teile auch aus. Mal rechts, mal links."

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