Profil:Donald Glover

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(Foto: Nicholas Hunt/Getty)

Der gefeierte Künstler ist ein Kritiker der Missstände in den USA.

Von Jürgen Schmieder

Der Begriff woke ist im vergangenen Jahr ins Oxford English Dictionary aufgenommen worden. Die offizielle Definition lautet, dass sich jemand mit Diskriminierung und sozialer Ungerechtigkeit beschäftigt. Das Urban Dictionary, Online-Lexikon für die Sprache auf der Straße, liefert eine noch weitreichendere Bedeutung: "Jemand weiß, was in einer Gemeinde oder Gesellschaft abgeht." So oder so: Neben den beiden Einträgen sollte ein Foto des afroamerikanischen Schauspielers und Musikers Donald Glover abgedruckt sein. Er hat gerade zwei Wochen voller gesellschaftlicher Weitsicht hingelegt, wie es kaum jemandem zuvor gelungen ist.

Es begann mit einem Auftritt in der Satiresendung "Saturday Night Live", bei der er sich einst zwei Mal als Komiker angeboten hatte und zwei Mal abgelehnt worden war. Nun machte sich Glover erst über den schwarzen Rapper Kanye West lustig, der jetzt ein Freund von US-Präsident Donald Trump sein will; danach präsentierte er unter seinem Musikerpseudonym Childish Gambino das Lied "This is America" mit der Botschaft, dass die USA ein psychotisches Land seien, ungerecht, unvereinbar und verrückt geworden an der eigenen Spaltung.

Der Song wird nun in den USA auf Platz eins der Charts geführt, das verstörende Video dazu, eine Ansammlung politischer und gesellschaftskritischer Anspielungen hinter einem tanzenden und wild grimassierenden Glover, ist alleine auf Youtube mehr als 110 Millionen Mal angesehen worden. Die Leute debattieren über die Bedeutung einzelner Nuancen, wie sie sonst nur über literarische Meisterwerke wie "Infinite Jest" von David Foster Wallace diskutieren.

Wenige Tage nach dem Auftritt bei "Saturday Night Live" wurde der " Star Wars"-Ableger Solo in Hollywood vorgestellt, in Deutschland ist er von 24. Mai an im Kino zu sehen. Glover spielt darin den charismatischen Schlingel Lando Calrissian, eine der wenigen afroamerikanischen Figuren in diesem doch arg hellhäutigen fiktiven Filmuniversum und deshalb seit der Original-Trilogie vor 40 Jahren ein Symbol popkultureller Vielfalt. Am Tag der Premiere endete außerdem die zweite Staffel der Fernsehserie "Atlanta ", die Glover erfunden hat und in der er die Hauptrolle spielt.

Es geht darin um einen schwarzen Typen, der gar nicht mal groß rauskommen will, sondern einfach nicht mehr so arg klein sein möchte, in diesem Land, aber aufgrund seiner Hautfarbe immer klein bleiben wird. Irgendwann stellt er sich selbst und damit dem Zuschauer die Frage: "Kann es sein, dass manche Menschen als Verlierer geboren werden, damit es die Gewinner einfacher haben im Leben?"

Glover wurde vor 34 Jahren auf einem Militärstützpunkt in Kalifornien geboren, er wuchs in einem Vorort von Atlanta auf und studierte Dramaturgie an der New York University. Bekannt wurde er durch seine Arbeit als Autor bei der Sitcom "30 Rock" und als Hauptdarsteller der Jugendserie "Community", in der es um einen schwarzen Teenager geht, der lieber ein sensibler Intellektueller denn ein beliebter Sportler sein möchte. Für "Atlanta" wurde Glover sowohl als Schauspieler als auch als Regisseur mit einem Emmy ausgezeichnet, für das Lied "Redbone" erhielt er einen Grammy.

Als multitalentierter Künstler wird Donald Glover seit mehr als 15 Jahren verehrt, spätestens seit "Atlanta" wird er als aufmerksamer Gesellschaftsbeobachter gefeiert. Diese Position wird nun allerdings auch hinterfragt, weil seine Lebensgefährtin Michelle, mit der er zwei Kinder hat und die öffentliche Auftritte meidet, hellhäutig ist. Die beste Antwort auf die Frage, ob das denn alles zusammenpasse, gibt Glover selbst: "Ich glaube, dass Liebe letztlich genau das ist: Man kann jemanden lieben und sich dennoch um sich selbst und seine Gemeinde kümmern." Er ist außerordentlich klug, dieser Donald Glover, vor allem aber ist er: woke.

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