Profil:Cuauhtémoc Blanco

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(Foto: AFP)

Der mexikanische Alt-Fußballstar macht als Polit-Neuling Furore.

Von Boris Herrmann

Cuauhtémoc Blanco hat den größten Erfolg seiner Karriere mit zwei Rasseln in der Hand verkündet. Sie waren grün, weiß und rot gestreift, wie die mexikanische Trikolore. "Heute habe nicht ich gewonnen, alle haben gewonnen", sagte Blanco, während er mehr oder weniger rhythmisch in seine Worte hineinrasselte. Er sah aus wie ein Fußballfan, und das war kein Zufall. Die meisten Mexikaner kennen diesen Mann vor allem als Torjäger, einen der treffsichersten in der Geschichte ihres Landes. Aber diesmal ging es nicht um Sport, sondern um ein einflussreiches Amt. Cuauhtémoc Blanco, 45, wurde am Sonntag zum neuen Gouverneur des Bundesstaates Morelos gewählt.

Sein Wahlsieg steht beispielhaft für das politische Erdbeben, das Mexiko erschüttert. Blanco, der vor zwei Jahren seine Stürmerlaufbahn beendet hatte und zugibt, wenig Ahnung von Politik zu haben, gewann in Morelos mit 40 Prozentpunkten Vorsprung vor seinem härtesten Konkurrenten - wenn man da noch von Konkurrenz sprechen kann.

Der 1. Juli 2018 wird in Mexiko als der Tag in Erinnerung bleiben, an dem das klassische Parteiensystem abgewählt wurde. 90 Jahre lang wurde das zweitgrößte Land Lateinamerikas von der alten Staatspartei PRI und der konservativen PAN in trauter Zwietracht regiert. Damit ist Schluss. Eine so neue wie bizarre Allianz namens Juntos Hacemos Historia ("Gemeinsam schreiben wir Geschichte") wird nun die Macht auf nahezu allen Ebenen übernehmen, national, regional, lokal. Sie stellt den künftigen Staatschef Andrés Manuel López Obrador, der diese Allianz mit seiner linkspopulistischen Bewegung Morena anführt. Gemeinsam Geschichte geschrieben hat López Obrador aber auch mit der sozialistischen Arbeiterpartei und der ultrakonservativen, evangelikalen Bewegung PES.

Blanco siegte auf dem Ticket der Evangelikalen. Die PES wettert gegen die Homo-Ehe und befürwortet ein radikales Abtreibungsverbot. Wie Blanco dazu steht, weiß niemand. Was er sagt, ist selten konkreter als: "Ich werde den Menschen helfen." Das hat mehr als 50 Prozent der Einwohner von Morelos überzeugt. Hauptsache die alten Eliten sind weg.

Mexiko ist ein Land, in dem der politische Kompass verrückt spielt. In dem nicht mehr klar ist, wer rechts und wer links steht. Der Schriftsteller Juan Villoro sagt, es gebe keine Ideologien mehr, nur noch Opportunisten. Einer von ihnen sei López Obrador. Ein anderer Cuauhtémoc Blanco. Vielleicht konnten sie nur gemeinsam gewinnen - der evangelikale Stürmerstar und der katholische Heilsbringer, der sich weniger für Fußball als für Baseball interessiert. Der Historiker Enrique Krauze nennt sie "das perfekte Paar".

Blanco stammt aus dem Armenviertel Tepito in Mexiko-Stadt. Bei der WM 1998 in Frankreich wurde er durch einen Trick weltberühmt, "Cuauhtemiña" genannt. Er klemmte an der Eckfahne den Ball zwischen seine Füße und sprang so über die Beine seiner Gegenspieler hinweg. Seine Torjubel sind so legendär wie seine Tore. Einmal imitierte er am Pfosten einen pinkelnden Hund. Er war vielleicht nicht der beste, aber sicherlich einer der beliebtesten Fußballer Mexikos. Und natürlich hat er davon profitiert, dass nun die Wahl mit der WM in Moskau zusammenfiel.

Seine kurze, gut zweijährige Bilanz als Politiker kann ihm nicht geholfen haben. Als Bürgermeister von Cuernavaca, der Hauptstadt von Morelos, ist er an seinem Versprechen gescheitert, die Gewalt und die Korruption einzudämmen. Ende 2016 trat er für einige Tage in einen Hungerstreik, weil ein Impeachment gegen ihn geplant war - wegen Korruption. Wenig später wurde er bezichtigt, einen Auftragsmord an einem Geschäftsmann mit Verbindungen zu Drogenhandel angeordnet zu haben. Beides streitet er vehement ab. Was er inhaltlich vorzuweisen hat? 39 Tore für die Nationalelf und die Aura eines Anti-Politikers. Eine unschlagbare Kombination.

© SZ vom 04.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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