Spanien:Cristina Cifuentes - Hoffnung der spanischen Konservativen

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Ist bald die Zeit von Cristina Cifuentes gekommen? Nach einem Abtritt Mariano Rajoys könnte sie die spanischen Konservativen führen. (Foto: Getty Images)

Nach dem Abtritt von Mariano Rajoy könnte die Regierungschefin der Region Madrid die spanischen Konservativen führen. Sie genießt den Ruf einer Parteirebellin.

Von Thomas Urban

Offenkundig hat Mariano Rajoy, Spaniens noch amtierender Regierungschef, nun endlich begriffen, dass er keinerlei Chance hat, nach den Wahlen am kommenden Sonntag sein Amt zu behalten. Zwar ist er nach wie vor der Spitzenkandidat der konservativen Volkspartei (PP), doch haben alle anderen Parteichefs bekundet, mit ihm auf keinen Fall eine Koalition eingehen zu wollen. Sie werfen ihm unisono vor, korrupte Strukturen in den eigenen Reihen geduldet zu haben.

Doch diese Ablehnung gilt nur Rajoy, sie bedeutet keineswegs, dass etwa die Sozialisten, die unter dem Druck der Linksalternativen von Podemos stehen, oder die jungdynamischen liberalen Ciudadanos (Bürger) eine Koalition mit einem anderen Frontmann der PP ausschließen. Oder einer Frontfrau.

Nicht wenige im Land sehen deswegen jetzt den geeigneten Augenblick für ein frisches politisches Gesicht. Das könnte der Moment für die 52-jährige Juristin Cristina Cifuentes werden, der Regierungschefin der Region Madrid. Politisch steht sie Rajoy sehr nahe, der die PP mehr zur Mitte verschoben und die Franco-Nostalgiker und Nationalkatholiken in ihren Reihen isoliert hat. Cifuentes geht in ihrem Modernisierungsdrang sogar noch viel weiter und hat damit einen Teil der konservativen Wählerschaft verstört. Denn sie verteidigt nicht nur die rechtliche Gleichstellung von Homosexuellen im Eherecht und die Fristenregelung bei der Abtreibung, sondern erklärt auch, sie sei Agnostikerin und überdies Republikanerin.

Das ist unerhört, denn noch stehen Kirche und König ganz oben im Glaubensbekenntnis der PP. Cifuentes aber erwarb sich so den Ruf einer Querdenkerin und Parteirebellin. Immerhin liegt sie bei anderen Streitfragen klar auf PP-Linie: Fortsetzung des harten Sparkurses, der das Land nach der großen Krise aus der Rezession gebracht hat, Unnachgiebigkeit gegenüber den Sezessionisten im Baskenland und in Katalonien, Überhöhung des Stierkampfes als Kulturgut. Auch hat sie bei den großen Demonstrationen vor fünf Jahren gegen die Sparpolitik immer wieder harte Einsätze der Polizei verteidigt. Da kennt die Tochter eines Generals der Artillerie, das siebte von acht Kindern der Familie, wenig Spaß. Die Linksalternativen nennen sie "das blonde Gift".

Cifuentes, sportlich und meist mit Pferdeschwanz zu sehen, gilt als humorbegabt, sie ist schlagfertig und debattensicher. Schlagzeilen hat sie vor drei Jahren mit einem schweren Motorradunfall gemacht, nach dem sie wochenlang im Koma lag. Seitdem tritt sie nachdenklicher und weniger provokativ auf. Auch drängt es sie nicht mehr vor jede Kamera, wie in jungen Jahren, als das ganze Land nicht nur erfuhr, dass sie eine Kennerin des amerikanischen Autorenfilms ist, sondern auch, welche Tätowierungen sie trägt. Nun gilt sie als "Geheimwaffe Rajoys" und macht nicht den Eindruck, als sei ihr die neue Rolle lästig.

© SZ vom 23.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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