Profil:Christian Drosten

Lesezeit: 2 min

Mers-Forscher am Institut für Virologie des Bonner Uniklinikums.

Von Kathrin Zinkant

Als Christian Drosten im vergangenen Jahr nach Saudi-Arabien fuhr, war er eigentlich nicht auf Virusjagd. Ein Team hatte er auch nicht dabei. Doch einen internationalen Ruf schüttelt man nicht so einfach ab, und so bat ihn ein Mitarbeiter des saudischen Gesundheitsamtes, etwas für ihn zu prüfen. Es ging um einen Erreger aus Kamelen, der das "Middle East Respiratory Syndrome", kurz Mers, hervorruft. In der Hafenstadt Dschidda hatte es einen ungewöhnlich schweren Ausbruch gegeben, es keimte der Verdacht, dass sich das Virus also verändert habe und noch ansteckender geworden sei. Drosten analysierte alle verfügbaren Erregerproben - und konnte Entwarnung geben. Noch war Mers nicht zum Superkiller mutiert.

Der 43-jährige Drosten gilt seither als anerkannter Mers-Experte. Doch wenn einer bereits mit 35 Jahren eine Professur an einer angesehenen Universität angetreten hat, muss er schon vorher etwas Besonderes geleistet haben. Oder entdeckt. Bei Drosten war es das Sars-Virus. Als der Erreger des Severe Acute Respiratory Syndrome Ende 2002 einen Seuchenzug um die Erde antrat, die erste Pandemie des 21. Jahrhunderts, wusste niemand, um was für einen Keim es sich handelte, der solches Unheil anrichtete. Insgesamt kostete Sars fast 1000 Menschen das Leben, etwa zehnmal so viele Menschen erkrankten schwer. Christian Drosten war damals Nachwuchsforscher am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg, er entwickelte neue Diagnostiktests für ansteckende Krankheiten. Anfang März 2003 hatten er und seine Kollegen im Netz von der mysteriösen Atemwegserkrankung gelesen, die in Vietnam ihr Unwesen trieb. Zwei Tage, nachdem die Weltgesundheitsorganisation (WHO) am 15. März 2003 eine weltweite Gesundheits- und Reisewarnung ausgesprochen hatte, erhielt Drosten eine Probe des rätselhaften Erregers.

Fotos aus jener Zeit zeigen einen jungen Mann mit wachem Blick, aber sehr kleinen Augen. Viel geschlafen hat der Arzt und Virologe damals nicht. Er suchte nach Virus-Kandidaten, schloss einen nach dem anderen aus, griff schließlich tief in die molekularbiologische Trickkiste. Nach mehreren durchwachten Nächten hielt er endlich den Beweis in der Hand, dass es sich um ein Coronavirus handeln musste. Gleichzeitig bestätigten Kollegen der Centers for Disease Control, USA, die Vermutung. Was Drosten aber vor allem auszeichnete, war, dass er seine Forschungsdaten sofort im Internet publizierte - zu jener Zeit ein nahezu anarchischer Akt, der glücklicherweise Schule machte. Innerhalb von Wochen wurde es weltweit möglich, Patienten auf den Erreger zu testen, eine unabdingbare Voraussetzung dafür, die Pandemie einzudämmen.

Drostens letztjährige Reise hat ihm nun auch bei Mers eine besondere Rolle beschert. Keiner hat einen so detaillierten Überblick über die Entwicklung des Erregers wie er. Die WHO benutzt seine Daten jetzt als Referenz.

© SZ vom 12.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: