Profil:Carrie Lam

Carrie Lam waves after she won the election for Hong Kong's Chief Executive in Hong Kong; Carrie Lam
(Foto: Bobby Yip/Reuters)

Neue Regierungschefin Hongkongs, eine treue Freundin Chinas.

Von Kai Strittmatter

Das war mehr eine Kür als eine Wahl, und im Hintergrund zog Peking die Strippen. Abstimmen durften wie immer nur 0,03 Prozent der registrierten Hongkonger Wähler, versammelt in einem handverlesenen Wahlgremium, und sie haben dafür gesorgt, dass Hongkong von nun an von der 59-jährigen Carrie Lam regiert wird. Sie ist die erste Frau in diesem Amt. Wichtiger aber: Sie ist die treueste Chinafreundin unter den drei Kandidaten.

Die bisherige Nummer zwei der Stadt ist nun die Nummer eins. Lam diente zuletzt als Verwaltungschefin unter dem sagenhaft unpopulären Leung Chun-ying, dessen Regierung die Stadt zuletzt so spaltete wie nie. Und weil Lam stets als treue Exekutorin der Wünsche Leungs und der KP Chinas auftrat, lösten ihre Kandidatur und ihr praktisch seit Wochen feststehender Wahlsieg Frust und Zorn aus beim demokratischen Lager und bei den jungen Hongkongern, die 2014 zu Hunderttausenden für echte Wahlen auf die Straße gegangen waren. Dass die Vertreter Chinas sich diesmal so ungeniert in den Wahlkampf eingemischt hatten, sorgte für Empörung. Lam sagte lediglich, sie könne es Pekings Verbindungsbüro in der Stadt nicht verbieten, für sie zu werben.

So angefeindet wurde Carrie Lam nicht immer. Ehemalige Mitschüler beschreiben die Studentin Lam als Idealistin, in den 1970er-Jahren war sie selbst gegen Ungerechtigkeiten unter dem britischen Kolonialregime auf die Straße gegangen. Von 1980 an machte sie sich einen Ruf als fähige Beamtin, unter anderem leitete sie Hongkongs Sozialamt. Als Entwicklungsministerin galt sie eine Zeit lang sogar als populärste Ministerin der Regierung. Das änderte sich 2012, als sie Verwaltungschefin unter Leung wurde.

Gemeinsam mit ihrem Chef suchte sie die Hongkong versprochene Autonomie aufzuweichen und zu öffnen für zunehmenden Einfluss Peking. Unter anderem war sie zuständig für den Versuch, das Wahlsystem der Stadt nach Pekings Wünschen umzumodeln, was direkt die Regenschirmproteste auslöste, die im Sommer 2014 die Stadt lahmlegten.

Carries Wahlslogan war "We connect", aber Lam hat sich entfernt von großen Teilen der Wählerschaft. Im Januar machte sie Schlagzeilen, als sie mitten in der Nacht in ihrer neuen Luxuswohnung Klopapier suchte und sich dann nicht anders zu helfen wusste als mit dem Taxi zu ihrem alten Haus zu fahren - anstatt einfach wie jeder gewöhnliche Hongkonger in einen der unzähligen 24-Stunden-Shops zu gehen. Und als eine Studentenaktivistin sie bat, sich doch bitte gegen die Amtsenthebungsprozesse auszusprechen, die einige der demokratisch gewählten jungen Parlamentsabgeordneten ihr Mandat kosten sollen, da antwortete sie ihr: "Sei nicht so radikal. Deine Mutter macht sich große Sorgen um dich." Es sind die Jungen in Hongkong, die sich Sorgen machen um ihre Stadt. Sie werden der neuen Regierungschefin keine Flitterwochen gönnen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: