Profil:Boyan Slat

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Boyan Slat, niederländischer Erfinder und Müllsammler auf den Weltmeeren. (Foto: AFP)

Niederländischer Erfinder und Müllsammler auf den Weltmeeren.

Von Thomas Kirchner

Am Strand von Scheveningen ging es zu, als würde Apple sein neuestes Gerät präsentieren. "Drei, zwei, eins, wollt ihr das wirklich sehen, wirklich? O.k., der Vorhang fällt!" Zu sehen gab es: eine hundert Meter lange Kette von Bojen, den Prototypen einer Anlage, mit der sein Erfinder Boyan Slat schon bald die Meere von Plastik befreien will. Der 21 Jahre alte Niederländer, schlank, lange dunkle Locken, Hemd über der Jeans, hat nichts dagegen, wenn man ihn mit Steve Jobs vergleicht. "Das sind schon die Typen, die mich inspirieren", sagt er, "die zeigen, dass du mit einer guten Idee und einem guten Team coole Dinge erreichen kannst."

Mit 16 hatte Slat beim Tauchen vor Lesbos mehr Abfall als Fische gesehen und damit ein Problem erspürt, das immer drängender wird. Die Ozeane sind längst Müllhalden, an ihrer Oberfläche schwimmt ein Plastikbrei, der jährlich um etwa acht Millionen Tonnen wächst. Dieser Brei verteilt sich im Wesentlichen auf fünf riesige Strudel, deren größter im Nordpazifik kreist. Der Kunststoff verschwindet nicht mit der Zeit, sondern zerfällt in Klein- und Kleinstteile, die in den Mägen von Vögeln und Fischen und somit in der menschlichen Nahrungsmittelkette enden.

Dass man dagegen machtlos sei, wie Wissenschaftler glaubten, wollte Slat nicht akzeptieren. Seine Lösung: v-förmige, schwimmende Barrieren, mit Fangarmen von je 50 Kilometern Länge. Sie sollen den Müll mit Hilfe der Meeresströmungen zusammentreiben, so dass er von einem Schiff abgeholt werden kann.

Als der technikbegeisterte Junge 2012 seine Idee vorstellte, war das Echo zwiespältig. Endlich einer, der was tut, jubelten viele, gerade Deutsche, die ein Drittel zur Anschubfinanzierung von zwei Millionen Dollar beitrugen. Viele Experten aber nannten seinen Plan unrealistisch. Der Gedanke, einem so komplexen Problem mit etwas Technik beikommen zu können, sei wahnwitzig und unökologisch, sagt der Kieler Ozeanologe Mark Lenz. Slat kennt die Kritik. "Technik ist unglaublich mächtig", sagt er, "sie hat das Problem geschaffen, sie soll es auch beseitigen." Seine Lösung sei nicht die einzige, es müsse mehr getan werden, damit gar nicht erst so viel Plastik ins Meer gelangt. Ansonsten hält er es mit der Erkenntnis aller Erfinder: "Die einzige Möglichkeit herauszufinden, ob eine Idee gut ist, heißt: ausprobieren."

Und so geht Slat seinen Weg. Vor zwei Jahren schmiss er ein Raketenbau-Studium und gründete das Start-up, mit dem er seine Idee umsetzt. Der Prototyp schwimmt nun ein Jahr in der Nordsee, um das zehn Zentimeter dicke Bojenmaterial aus Gummi und Stoff ein Jahr lang in Sturm und Wellen zu testen. 2020 soll die echte Anlage im Pazifik installiert werden. Um Geld muss sich Slat vorerst weniger sorgen, die niederländische Regierung zahlt. "Du bist mein Plastik-Held", strahlte Umweltministerin Sharon Dijksma in Scheveningen. "Wir brauchen eine ganze Armee von Boyan Slats."

© SZ vom 24.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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