Profil:Boris Becker

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(Foto: Ben Curtis/AP)

Ehemaliger Tennisprofi und Held von Deutschland, der sich stets missverstanden fühlte.

Von Gerald Kleffmann

Am Mittwochabend hat sich Boris Becker schließlich gemeldet. Über Twitter teilte er mit, dass er "überrascht und enttäuscht" sei, dass die Londoner Privatbank Arbuthnot Latham "dieses Verfahren gegen mich" gewählt habe. Es gehe doch nur um ein Darlehen, das er in einem Monat zurückgezahlt hätte. Er hätte auch sein Einkommen offengelegt, und daraus gehe hervor: Er kann die Schulden begleichen. Seine Zeilen richteten sich auf die dramatisch klingende Nachricht, Becker, 49, sei zahlungsunfähig. Weil ein Gericht ihn in London, wo er lebt, am Morgen für bankrott erklärt hatte. Am Abend widersprach sein Anwalt Christian Schertz "Medienmeldungen, wonach unser Mandant 'pleite' sei". Es steht Vorwurf gegen Dementi, Ausgang ungewiss - und doch passt der Fall ins Gesamtbild. Beckers Lebensthema war oft genug, ein Missverstandener zu sein.

Diese Erzählung beginnt bereits mit seinem größten Erfolg. Am 7. Juli 1985 gewann er aus dem Nichts das berühmteste Tennisturnier, zwei weitere Male sollte er in Wimbledon siegen. "Ich glaube, dass ich ein sehr starkes Image als 17-jähriger Leimener in Deutschland bekommen habe. Und mein Erwachsenwerden mir nicht unbedingt leicht gemacht wurde", gestand er einmal. Kaum ein Sportler war tatsächlich derart als Held vereinnahmt worden wie der damals kraftstrotzende Rotschopf. Seine sechs Grand-Slam-Titel wurden bejubelt, Journalisten lebten allein von Storys über ihn. Die Fotografen drückten ab, als Becker Papst Johannes Paul II. traf. Seine Privatsphäre, vor allem seine Liebschaften wurden ausgeleuchtet, und er machte dieses gefährliche Spiel lange mit. Als er zum ersten Mal Vater wurde, verkündete er vor der Villa im Münchner Stadtteil Bogenhausen staatsmännisch die frohe Kunde.

Die Zuneigung der Nation schlug um, als Becker 1999 seine Karriere beendete. Plötzlich wurden nicht mehr seine Asse bewertet, die so treffsicher waren. Becker versuchte sich ein zweites Leben aufzubauen, als Unternehmer, als Familienvater. Der Blick auf ihn wurde indes hämischer, auch, weil Becker Steilvorlagen bot. Die Ehe mit Barbara Feltus, aus der zwei Söhne hervorgingen, scheiterte. Er zeugte ungewollt ein drittes Kind. Eine Firma, an der er beteiligt war, ging insolvent. Wegen Steuerhinterziehung erhielt er eine Bewährungsstrafe. Becker zog sich zurück, in die Schweiz, dann nach England, wo er sich am meisten respektiert fühlte, auch dank seiner Tennis-Expertisen für die BBC. In Wimbledon besitzt er ein Haus, dort lebt er mit Gattin Lilly und dem gemeinsamen Sohn.

Als Becker 2014 bis 2016 den Serben Novak Djokovic erfolgreich als Trainer betreute, versöhnte er sich mit der Heimat, die ihn gerade auch als Kommentator bei Eurosport schätzen lernte. "Ich fühle mich heute auch auf Deutsch verstanden", sagte er im Januar. Jetzt kämpft er auf der Insel um sein Heil. "Wie sagt man so schön", tippte er auf Englisch, "vor Gericht und auf hoher See bist du in Gottes Hand. Aber das Leben geht weiter."

© SZ vom 23.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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