Profil:Benoît Hamon

Frankreich Vorwahl der Linken

Benoît Hamon, neuer tiefroter Hoffnungsträger der französischen Linken.

(Foto: Francois Mori/dpa)

Überraschungskandidat der französischen Sozialisten für die Präsidentschaftswahl.

Von Christian Wernicke

Nur keine Illusionen! Das ist Benoît Hamon wichtig, davor warnt er regelmäßig. "Hören wir auf, an die Männer der Vorsehung zu glauben," mahnte der 49-jährige Berufspolitiker sein meist junges Publikum im Wahlkampf, "ich tue gar nicht so, als wüsste ich die Antwort auf alle Probleme". Typisch für Benoît Hamon ist, dass er sein Mantra über die Vorsehung sogar im Moment seines bisher größten Triumphes wiederholt hat. Das war am Sonntagabend. Da hatten die Anhänger von Frankreichs Sozialisten den linken Utopisten per Urwahl zu ihrem Präsidentschaftskandidaten gekürt.

Nach fünf trüben Jahren unter François Hollande steht nun ein neuer tiefroter Hoffnungsträger auf der Bühne. Hamon winkte verlegen, legte die rechte Hand auf seine linke Brust. "Lassen wir das Herz Frankreichs schlagen", prangte neben ihm an der Wand der Slogan der Kampagne. Sicher ist, dass es sich bei Hamon um ein sehr linkes Herz handelt. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass dieser kleine, flinke Mann mit den dunklen Bartstoppeln es je bis in den Élysée-Palast schafft, stellte sich Hamon seine eigene Aufgabe: "Der Präsident muss sicherstellen, dass unsere Demokratie nicht erstickt - dass sie lebt und atmet."

Immerhin, Hamon hat geschafft, dass die Herzen vieler linker und junger Landsleute höher schlagen. An ihm, den sie zu Hause an der Westküste der Bretagne "unseren kleinen Ben" nennen, soll sich der "Parti Socialiste" nun aufrichten. Daheim in Brest erklärt seine Mutter, sie glaube seit 20 Jahren daran, ihr Sohn sei zum Präsidenten berufen. Hamon aber winkt ab: "Nein, damit habe ich nicht gerechnet."

Es ist ja ein kleines Wunder. Ausgerechnet dieser PS-Apparatschik verheißt der Linken nun "ein neues Kapitel". Seit mehr als 30 Jahren agiert und agitiert Hamon in linken Zirkeln. Er war Jugend- und Studentenfunktionär, diente Ex-Premier Lionel Jospin wie der altlinken Martine Aubry als Mitarbeiter. "Mino" haben sie ihn gerufen, weil Hamon meist zur "Minorité" gehörte, zur Minderheit. Hamon hat gelacht - und weiter gerackert.

Er wurde Abgeordneter, auch zweimal Vater, ist fest liiert mit der PR-Chefin eines Konzerns für Luxusgüter. Unter Hollande schaffte er es zum Minister. Doch das Amt blieb ihm so fremd wie die sozialdemokratische Linie seines Präsidenten. Hamon, der Linksabweichler, flog 2014 aus dem Kabinett, kehrte zurück auf die Holzbank der Nationalversammlung ("Da ist mein natürlicher Platz"). Ein Frondeur, ein Rebell gegen die eigene Regierung.

Nun plötzlich - Mehrheit! Denn Hamon hat seine Genossen wieder zum Träumen gebracht, etwa mit der Idee eines Grundeinkommens für alle. Nun lauert die harte Realität: Er muss die Linke einen, die Partei vorm Zerfall bewahren und andere Anwärter wie den Linkssozialisten Jean-Luc Mélenchon zum Verzicht auf eine Präsidentschaftskandidatur bewegen. Viel Chancen hat er nicht. Aber "Mino" will sie nutzen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: