Profil:Béji Caïd Essebsi

Tunisian president declares state of emergency after deadly attac; sw

Der Jurist und Vater von vier Kindern gehört selbst zum alten System - aber zum besseren Teil: Béji Caïd Essebsi.

(Foto: dpa)

Alterfahrener Staatspräsident Tunesiens in schwieriger Zeit.

Von Tomas Avenarius

Der Ausnahmezustand ist der Klassiker auch jeder arabischen Diktatur: Schluss mit der Versammlungsfreiheit, stattdessen Militärgerichte gegen die Opposition und freie Bahn für Armee, Polizei und Staatsschutz. Dass der tunesische Präsident Béji Caïd Essebsi jetzt den Ausnahmezustand verhängt hat, erklärt sich allerdings anders. Er will die junge tunesische Demokratie verteidigen. Keiner weiß, ob ihm das gelingen wird.

Das Land müsse "die Seuche" des Islamisten-Terrors bekämpfen - mit mehr Armee, mehr Polizei, besseren Waffen, sagte der 88-Jährige nach dem Anschlag am Badestrand von Sousse. Auch wenn solche Töne so ziemlich überall zwischen Bagdad und Algier auf erschreckende Art vertraut klingen, hat der Tunesier recht. Die Morde an 38 Touristen zeigen, welchen Teufelskreis die Dschihadisten in einem wirtschaftlich schwachen Ferienland schaffen. Die panischen Urlauber buchen um, die Wirtschaft stagniert und die arbeitslosen Männer wenden sich eben den Islamisten zu, die den letzten Anschlag verübt und den nächsten schon geplant haben.

An Erfahrung für die politische Grat-wanderung des demokratischen Regierens unter dem Banner des Ausnahmezustands fehlt es Essebsi jedenfalls nicht. Seine Partei Nidaa Tounés ist zwar ein Auffangbecken für Gegner jeder Art von Islamisten: Linke, Säkulare, Profiteure des alten Systems. Er ist aber auch ein Mann der Integration, hat mit moderaten Islamisten stets geredet, vor und nach ihrem Siegeszug im Arabischen Frühling von 2011.

Ja, der Jurist und Vater von vier Kindern gehört selbst zum alten System - aber zum besseren Teil. Er war unter Staatsgründer Habib Bourguiba Innen-, Verteidigungs- und Außenminister, leitete die Staatsicherheit, war Botschafter. Es ist das ursprünglich linke, antikoloniale Staatsverständnis mit seiner Synthese aus französischem Laizismus und der islamisch-nordafrikanischen Kultur, das Essebsi früh geprägt hat - nicht die Parvenu-Diktatur des Zine el-Abbedine Ben Ali.

Der 2011 vom Volk gestürzte Alleinherrscher Ben Ali hatte das Land als Familienpfründe ausgeplündert, alle Andersdenkenden weggedrängt oder weggesperrt. Auch Essebsi hatte sich damals aus der Politik zurückgezogen. Fast 20 Jahre privatisierte er als Rechtsanwalt. Erst 2011 kam der damals schon weit über Achtzigjährige zurück. Ein junger Mann hatte sich aus Ver-zweiflung über ein weiteres tunesisches Leben ohne Perspektive selbst verbrannt - und so die "Jasmin-Revolution" ausgelöst.

Essebsi führte die erste Übergangsregierung, sah später die frei gewählten Islamisten regieren, den Menschenrechtler Moncef Marzouki als Präsidenten dilettieren und eine vorbildliche neue Verfassung entstehen. Dann trat er mit seiner neuen Partei selbst an, gewann die Parlamentswahl und danach den Kampf um das Präsidentenamt. Seitdem regiert er mit einer eher technokratischen Regierung der nationalen Einheit.

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