Profil:Audrey Azoulay

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(Foto: Thomas Samson/AFP)

Die neue Unesco-Generaldirektorin, Powerfrau aus der zweiten Reihe.

Von Joseph Hanimann

Den Sprung ins Scheinwerferlicht der Politik vollzog die 1972 in Paris geborene Audrey Azoulay, Tochter eines aus Marokko stammenden Journalisten und Beraters des marokkanischen Königs, vor kaum erst zwei Jahren. Die damalige Kulturberaterin des französischen Staatspräsidenten Hollande war beauftragt, für die letzte Phase von dessen Regierungszeit einen neuen Kulturminister zu finden. Da alle angefragten Kandidaten absagten, landete sie selbst auf dem Posten. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie nur zweite Wahl gewesen wäre. Sie war durch die üblichen französischen Eliteschulen der Politik und Verwaltung gegangen und übte dann das Ministeramt sehr überzeugend aus.

Kultur war schon immer ihr Lebensmilieu, ihre Mutter ist als Literatin bekannt. Beruflich hatte Azoulay zuvor aber auf ihren diversen Posten des Kulturmanagements, vorab im Filmbereich, meistens in der zweiten Reihe gestanden. Die 45-Jährige ist mit ihrer diskreten Eleganz weder eine mit Bildung protzende Streberin der Gelehrsamkeit, noch Ellbogenkämpferin um die politische Macht. Der lockere Umgang mit Künstlern und Schriftstellern scheint ihr angeboren zu sein. Politisch steht sie, die für den Schutz der Kulturenvielfalt kämpft, eher links. Die Einladung von Chiracs Premierminister Dominique de Villepin, in sein Kabinett einzutreten, schlug sie 2006 aus. Als Kulturministerin blieb sie Präsident Hollande bis zuletzt treu. Ihre Bewerbung als französische Kandidatin für die Generaldirektion der Unesco erfolgte im vergangenen Frühjahr erst kurz vor Anmeldeschluss, als hätte man sie dazu etwas schubsen müssen.

Die Durchsetzung ihrer zunächst wenig aussichtsreichen Kandidatur nahm sie dann aber geschickt in die Hand. Sie tat es in ihrer zurückhaltenden und zugleich zielstrebigen Art. Dem Argument, die Unesco-Leitung komme nun endlich einem Vertreter aus der arabischen Welt zu, begegnete sie mit dem Hinweis auf ihre familiären Bindungen zum Königreich Marokko. Diplomatisch besser platzierten Konkurrenten hielt sie entgegen, Kultur sei für sie kein Etikett, sondern Lebensinhalt. Und als gegen ihren Hauptrivalen Hamad bin Abdulasis al-Kawari aus Katar Vorwürfe der Duldung von antisemitischen Äußerungen in Umlauf kamen, enthielt Azoulay als Jüdin sich wohlweislich jeden Kommentars. Den Einwand schließlich, das Gastland einer UN-Organisation könne keinen Anspruch auf deren Vorsitz erheben, entkräftete sie mit dem Argument, in der gegenwärtigen Krisenlage der Unesco sei eine Generaldirektorin mit der kulturellen Strahlkraft Frankreichs und der Hauptstadt Paris hinter sich ein nicht zu unterschätzender Vorteil.

Diesem Argument haben die USA und Israel am Vorabend der Stichwahl mit ihrem polternden Austritt nachgeholfen. Man darf hoffen, dass die Überraschungssiegerin mit ihren leisen Tönen die zerrüttete Organisation wieder auf geradere Wege führen wird.

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