Profil:Antoni Krauze

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Polnischer Regisseur im Dienst der Regierung, der nun an der Smolensk-Legende strickt.

Von Florian Hassel

Antoni Krauze war schon 71 Jahre alt, als er seinen größten Triumph als Regisseur erlebte. Fünf Jahre ist es her, dass der Filmemacher, seit Jahrzehnten im polnischen Fernsehen und Kino zu Hause, den Film "Schwarzer Donnerstag" in Polens Filmtheater brachte. Der Film erzählte aus der Sicht einer Danziger Arbeiterfamilie die Ereignisse des 17. Dezember 1970: Damals ließ das kommunistische Regime einen Protest von Werftarbeitern zusammenschießen - ein traumatisches Ereignis, das später mit zur Gründung der Gewerkschaft Solidarność und zum Anfang vom Ende der kommunistischen Herrschaft in Polen führte. Regisseur Krauze hatte Monate in Archiven und mit Gesprächen mit Zeitzeugen verbracht, dokumentarische Bilder eingebaut und im "Schwarzen Donnerstag" ein ebenso wahres wie künstlerisch überzeugendes Werk geschaffen. Mehr als eine Million Polen sahen es.

Jetzt möchte Krauze seinen Erfolg übertreffen. Am Freitag kommt "Smolensk" in Polens Kinos - Krauzes Schilderung des 10. April 2010, als im russischen Smolensk das Flugzeug von Präsident Lech Kaczyński abstürzte. Der Präsident und 95 weitere Polen starben damals. Polnische Untersuchungskommissionen stellten ebenso wie russische Ermittler ein Unglück fest: verursacht durch untrainierte Piloten, Missachtung von Sicherheitsregeln und den Druck, den Präsidenten zu einem wichtigen Termin zu bringen.

Jarosław Kaczyński, Lechs Zwillingsbruder und heute Polens mächtigster Mann, akzeptierte diese Tatsachen allerdings ebenso wenig wie andere Polen, die Russland hinter dem Absturz sehen wollten. Moskau habe den politisch unbequemen Präsidenten mittels zweier Bomben ermordet; die damalige polnische Regierung habe zumindest passiv mitgewirkt. In diese Verschwörungs- und Diskreditierungstheorie verbiss sich, zum Befremden selbst langjähriger Bekannter, auch Regisseur Krauze: Zunehmend tauchte er auf Sitzungen einer Untersuchungskommission von Kaczyński-Getreuen und auf Kongressen auf, wo vermeintliche Belege für ein angebliches Attentat vorgelegt wurden. Krauze übernahm selbst absurde Theorien - etwa, dass die Russen den beim Absturz vorherrschenden Nebel künstlich erzeugt hätten.

Eigentlich wollte Krauze "Smolensk" schon am 15. April ins Kino bringen - doch der Filmstart wurde verschoben. Warschauer Medien zufolge soll Kaczyński unzufrieden gewesen sein. In der nun fertigen Fassung sind gleich zu Beginn zwei Explosionen zu hören - die Bomben des angeblichen Attentats. Zur Vorpremiere des Films in der Warschauer Oper konnte Antoni Krauze Polens Staatsspitze und Jarosław Kaczyński begrüßen und wurde später von Kaczyński durch Einzelaudienz geehrt. Von Freitag an sollen Millionen Polen, angefangen bei Schulkindern, in die Kinos strömen, um "Smolensk" zu sehen. An der Kasse hätte Antoni Krauze dann einen großen Erfolg gelandet. Künstlerisch wohl kaum.

© SZ vom 08.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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