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Anselm Kiefer

Politischer Künstler, der sich in Peking behandelt fühlt "wie ein Toter": Anselm Kiefer.

(Foto: Rolf Haid/dpa)

Politischer Künstler, der sich in Peking behandelt fühlt "wie ein Toter".

Von Kai Strittmatter

In China freuen sie sich auf Anselm Kiefer. Eine "Inspiration" sei der deutsche Maler und Bildhauer für Chinas zeitgenössische Künstler schon früh gewesen, schreibt Fan Di'an, der Präsident der Zentralen Akademie der Künste CAFA in Peking - für jene Menschen auf der Suche nach Wahrheit und "nach künstlerischer Freiheit". Kiefer, der "einsame Zeitreisende", habe sich immer den Mächten und Zerstörungen der Geschichte gestellt. An diesem Samstag wird eine große Anselm-Kiefer-Retrospektive eröffnet, die erste in China. Geplant war ein einmaliger Moment für Chinas Kunstwelt, für die Kiefer immer "gleichzeitig sehr nah und sehr fern" war, wie Präsident Fan schreibt. Er freue sich auf die "Zusammenarbeit" mit dem deutschen Künstler.

Nun, der in Paris lebende Kiefer bleibt erst einmal in der Ferne. Kurz vor der Eröffnung meldete sich erstmals der 71-jährige Künstler selbst zu Wort - und zwar zornig und "tief enttäuscht". Öffentlich distanzierte er sich von der Ausstellung. Anders als die Organisatoren - vor allem die Hamburger Kunstfirma Bell Art Center - dies dem Publikum nahelegten, habe er nie bei dem Projekt mitgearbeitet, er habe überhaupt erst vor Kurzem davon erfahren. So etwas sei ihm in seiner Karriere noch nie passiert, sagte Kiefer am Freitag der SZ. "Die behandeln mich wie einen toten Künstler." Es fühle sich an "wie eine Vergewaltigung". In einem Brief an die Veranstalter in Peking forderte er, die Ausstellung dürfe nicht stattfinden.

Anselm Kiefer, einst Schüler von Joseph Beuys, ist einer der bedeutendsten deutschen Künstler. Einer, der immer auch politisch war, seit er 1969 erstmals Schlagzeilen machte mit seiner Fotoserie "Besetzungen", die ihn selbst beim Hitlergruß zeigte. Er ist der einzige bildende Künstler, der jemals mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels geehrt wurde, 2008 - weil Kiefer "aus dem Betrachter auch einen Leser" mache.

China interessierte ihn schon früh, Mao Zedong taucht immer wieder in seinen Bildern auf, so in seiner Serie "Lasst tausend Blumen blühen". Der Titel ist eine Verfremdung des Mao-Slogans "Lasst hundert Blumen blühen", mit dem Mao die Intellektuellen Chinas 1956 zur freien Rede ermuntert - nur um sie anschließend brutal zu verfolgen. Kiefer war 1993 ein paar Monate durch China gereist, später unterlegte er seine Fotos von Mao-Statuen mit den Bildern südfranzösischer Landschaften.

Gerade weil er sich seit Jahren mit China beschäftigt, ist Kiefers Frust groß. Im letzten Jahr war er selbst nach Peking gereist, um die Möglichkeiten für eine Retrospektive auszuloten, hatte auch die Zentrale Akademie der Künste besucht und war angetan. "Aber so schnell schieße ich nicht", sagt Kiefer. "Ich hätte Zeit gebraucht für eine ordentliche Ausstellung. Da muss man doch sorgfältig auswählen. Da kann man doch nicht einfach nur aufhängen, was einem gerade in die Hände fällt, so wie die das tun." Er meint vor allem das Hamburger "Bell Art Center", das Kiefer eine "drittklassige Kunstfirma" nennt, der er "merkantile" Motive unterstellt; und Hauptkuratorin Beate Reifenscheid, Direktorin des Ludwig Museums in Koblenz.

In einer Erklärung der Organisatoren am Freitag hieß es, Frau Reifenscheid habe "vielmals versucht", Anselm Kiefer zu kontaktieren, leider vergeblich. Kiefer sagt, das sei "erstunken und erlogen". Auf eine Anfrage der SZ reagierte Reifenscheid am Freitag nicht. Die chinesischen Aussteller von der Kunstakademie scheinen überrumpelt zu sein: Man habe erst nach der Unterzeichnung des Abkommens mit Bell Art erfahren, dass Kiefer nicht hinter dem Projekt stehe. "Uns tut das sehr leid", sagt Wang Huangsheng, Direktor des CAFA-Museums. Rechtlich aber stehe einer Eröffnung am Samstag nichts im Wege. Auf der CAFA-Webseite steht seit Wochen schon, man freue sich "auf die kreativen Funken", die Anselm Kiefer schlage.

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