Profil:Andrea Pirlo

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Andrea Pirlo, Italiens Fußball-Ikone, zieht um nach New York. (Foto: Darko Bandic/AP)

Italiens Fußball-Ikone auf dem Weg ins Austragshäusl: nach New York.

Von Birgit Schönau

Wenn Andrea Pirlo weint, schreckt die Fußballwelt auf, gilt der 36-jährige Italiener doch als unerreichter Meister der Coolness und der kontrollierten Emotionen. Als Pirlo am Abend des 6. Juni im Berliner Olympiastadion die Tränen kamen, schien das Zeichen riesiger Enttäuschung zu sein über das verlorene Champions-League-Finale gegen den FC Barcelona. Doch in Wirklichkeit waren es wohl Abschiedstränen. Vergossen für Juventus Turin, wo Pirlo zuletzt in vier Jahren vier Meistertitel gewonnen hatte - insgesamt waren es sechs.

Pirlo verlässt aber auch erstmals Italien, wo er seine gesamte Karriere absolviert hatte - im Heimatklub Brescia, in Reggio di Calabria und bei Inter und AC Mailand. Und er kehrt Europa den Rücken. Mehr Abschied auf einmal geht nicht, für die derzeit größte Ikone des italienischen Fußballs. Zuletzt war Pirlo etwas langsamer und fahriger erschienen als zu seinen besten Zeiten, doch wurde er gleichauf mit seinem spanischen Lieblingsgegner Xavi immer noch als Inbegriff des Mittelfeldregisseurs verehrt. Xavi und Pirlo, das verhieß Charisma und Technik, Lässigkeit und Präzision, kurzum: old Europe.

In Berlin hatten beide ihren letzten großen Auftritt. Nun spielt Xavi in Katar; Pirlo zieht es an die USA. Seine Vertragsunterzeichnung beim New York City FC wird in Kürze erwartet. Der Fußballer hält sich schon eine Weile in den Staaten auf, sendete Bilder aus New Yorker Stadien und vom Strand in Miami: Pirlo, der Amerikaner, lächelnd, mit Baseballkappe. Sein Weingut in den Hügeln um Brescia muss dem Vernehmen nach mindestens anderthalb Jahre auf die Rückkehr des Patrons warten.

Pirlo und New York. Der melancholische Maestro im Land der eisernen Optimisten und aufstrebenden Eleven, ob das gut geht? Seinen neuen Arbeitgeber muss man sich als krasses Gegenteil von Juventus Turin vorstellen. Den Turiner Klub mit dem lateinischen Namen gibt es seit 1897, den New York City FC erst seit zwei Jahren. Juventus befindet sich seit mehr als 90 Jahren im Besitz der Familie Agnelli, ein Weltrekord. Hinter dem New Yorker Klub verbirgt sich eine bizarre Partnerschaft von Fußball-Parvenüs. Mehrheitseigner sind jene Scheichs aus Abu Dhabi, denen auch Manchester City gehört, den kleineren Anteil hält der Baseball-Klub New York Yankees. Geld für Prominenz ist also vorhanden, Englands langjähriger Teamkapitän Frank Lampard ist bereits verpflichtet.

Mehr als sieben Millionen Euro soll Pirlo als Jahressalär bekommen - in Turin waren es 4,5 Millionen. Aber geht es Pirlo wirklich nur ums Geld? Er stammt aus einer wohlhabenden Familie, das Stahlunternehmen seines Vaters ist international vertreten, mit einem Jahresumsatz von 70 Millionen Euro. Vielleicht reizt ihn vor allem ein ganz anderes Leben, an der Seite einer neuen Partnerin, für die er vor Jahresfrist seine Familie verließ. Der italienischen Nationalelf will Pirlo immerhin treu bleiben. Es gibt also ein Wiedersehen, bei der Europameisterschaft 2016.

© SZ vom 30.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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