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Profil: Adonis - Erneuerer der arabischen Lyrik und umstrittener Träger des Remarque-Friedenspreises.

Adonis - Erneuerer der arabischen Lyrik und umstrittener Träger des Remarque-Friedenspreises.

Erneuerer der arabischen Lyrik und Träger des Remarque-Friedenspreises.

Von Sonja Zekri

Hätte man ihm den Literaturnobelpreis gegeben, es hätte sich kaum eine Stimme der Kritik gerührt. Lange galt der syrische Dichter Adonis, kühner Neuerer der arabischen Lyrik, als würdiger Kandidat.

Aber es geht nicht um Literatur, sondern um Politik, genauer: um das Minenfeld zwischen beidem, es geht um den Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis. Ende November sollte Adonis die nach dem Autor von "Im Westen nichts Neues" benannte Auszeichnung der Stadt Osnabrück bekommen, nun ist die Preisverleihung auf das Frühjahr verschoben worden. Arabische Literaten, auch syrische Oppositionelle halten ihn für den falschen Preisträger, und ganz gleich auf welche Seite man sich schlägt, man kann daraus viel lernen über die Unverträglichkeit von Kunst und Revolution.

Adonis wurde im Jahr 1930 als Ali Ahmad Said Esber in Syrien geboren, in einem Dorf in den Alawiten-Bergen nahe der Küstenstadt Latakia. Sein Vater war ein Imam der Alawiten, einer schiitischen Sekte, die damals zu den ärmsten Gruppen Syriens gehörte. Nicht weit entfernt lag das Dorf des Assad-Clans. Hafiz al-Assad und sein Sohn Baschar, der heutige Präsident, stammten ebenfalls aus den Alawiten-Bergen und verwandten einen guten Teil ihrer Amtszeiten darauf, ihre Sekte aus der Marginalität an die Spitze zu führen: in der Regierung, der Armee, im Geheimdienst. Vor vier Jahren war dies einer der Gründe für den Aufstand, der vor allem von der entmachteten sunnitischen Mehrheit getragen wurde.

Aber da war Adonis schon längst nicht mehr im Land, sondern wurde in Europa als Mittler zwischen den Welten gefeiert. "Mach mich wieder zu dem, was ich sein will / Wie ich war, ein Gewoge", lautet eines der Gedichte, aber das dürfte bei kaum einem Menschen schwieriger sein als bei Adonis, der so viele Leben gelebt hat: Bis er 13 war, geht er in keine Schule, erst als er vor dem damaligen Präsidenten Schukri al-Quwatli ein Gedicht aufsagt, schickt ihn dieser auf eine französische Schule im benachbarten Tartus.

Der syrische Staat war jung, die Kolonialerfahrung frisch, als der Jugendliche Ali der quasifaschistischen Syrischen Sozial-Nationalistischen Partei beitrat, einer Gruppierung, die von einem griechisch-orthodoxen Christen gegründet worden war. Ali, der sich damals Adonis nannte, saß wegen seiner Parteizugehörigkeit im Gefängnis, floh dann in das freie, offene Vorbürgerkriegs-Libanon, gründete die innovative Literaturzeitschrift Schi'r und zog 1960 zum Studium nach Paris, wo er Rimbaud und Baudelaire studierte, aber auch Nietzsche und Novalis. Bis heute lebt er mit seiner Frau, der Kunstkritikerin Chalida Said, in einem Hochhaus am Stadtrand. Die beiden haben zwei Töchter.

Von Paris aus hat er Vorlesungen über eine frühe arabische "Moderne" im Mittelalter gehalten, aber in Essays und Interviews auch die Rückständigkeit der arabischen Welt als kulturelles Unvermögen kritisiert, als Folge eines religiösen und politischen "Monotheismus". Er forderte die Trennung von Religion und Staat, Frauenrechte, Gewaltfreiheit. Aber er begrüßte anfangs auch Chomenis Revolution in Iran. Und als der Aufstand in Syrien ausbrach, wandte er sich fast flehend an den "gewählten" Präsidenten Baschar al-Assad, als gäbe es tatsächlich echte Wahlen. Gewiss, später forderte er ihn zum Rücktritt auf, aber seine Kritik an den zusehends islamisierten Aufständischen war stets schärfer als die an der Regierung. Den Sprachregelungen der Assad-Gegner entsprach er nie.

Adonis verkörpert das Dilemma eines arabischen Intellektuellen, der stets dasselbe sagt, während die Ereignisse andere Bekenntnisse verlangen. Er ist nicht zu begreifen ohne das Wissen um einen arabischen Säkularismus, der sich aus manchmal trüben Quellen speist, meist als Militarismus auftritt und sich bedrückenderweise als einzige Alternative zum Islamismus darstellt.

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