Professorenmangel:Morgens Firma, nachmittags Hörsaal

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Wer als Professor an einer Fachhochschule Studenten unterrichten will, muss mindestens drei Jahre Berufserfahrung mitbringen. (Foto: Oliver Berg/dpa)

Fachhochschulen sollen flexibler werden, um dringend benötigte Professoren zu gewinnen, schlägt der Wissenschaftsrat vor.

Von Susanne Klein, München

Seit Jahren klagen die Fachhochschulen über Nachwuchsprobleme. Vor allem Professoren fehlen im Lehrbetrieb, und das bei steigenden Studentenzahlen. Nun hat der Wissenschaftsrat Empfehlungen vorgelegt, wie der Personalmangel behoben werden könnte. Die Zeit drängt. Denn manch freie Stelle sei trotz mehrfacher Ausschreibung nicht zu besetzen, klagt der Rat. Er legt den Fachhochschulen vor allem mehr Flexibilität nahe: Neben der regulären Vollzeitprofessur sollten sie zum Beispiel "Gemeinsame Professuren" mit gleichzeitiger Tätigkeit in Hochschule und Unternehmen anbieten. Auch Teilzeitstellen, die mit Familienpflichten oder einer Selbständigkeit vereinbar sind, könnten Bewerber locken.

"Fachhochschulen brauchen einen leichteren Zugang zur Professur, einen größeren Bewerberpool, eine attraktivere Ausgestaltung der Professur", fordert Manfred Prenzel, Vorsitzender des Wissenschaftsrats. Das Gremium, das die Bundesregierung und die Länderregierungen in Hochschul- und Wissenschaftsfragen berät, räumt eine der größten Hürden für Berufungen jedoch nicht aus dem Weg: die qualifizierte Berufspraxis. Wer zu seinem Doktortitel nicht mindestens drei Jahre Berufserfahrung außerhalb des akademischen Betriebs mitbringt, braucht sich gar nicht erst zu bewerben. Dass dies die Berufung von Professoren erschwert, ganz besonders die von Frauen, darauf hatte kürzlich die Hochschulrektorenkonferenz in einem Grundsatzpapier hingewiesen - und vorgeschlagen, Kandidaten zu erlauben, ihre Berufspraxis in Teilzeit neben der Hochschultätigkeit zu erwerben. Der Wissenschaftsrat hält jedoch an der Doppelqualifikation in der bisherigen Form fest. Der Karrieresprung des promovierten Jungakademikers von der Universität direkt an die Fachhochschule ist bei ihm nicht vorgesehen.

Mit attraktiven Angeboten sollen Professoren gehalten werden: weniger lehren, mehr forschen

Dass Fachhochschulen bei der Personalgewinnung häufig mit der freien Wirtschaft konkurrieren müssen, erschwert die Situation zusätzlich, denn die Industrie buhlt um Fachkräfte mit immer attraktiveren Konditionen. Gleichwohl rät das Expertengremium zu Partnerschaften: Fachhochschulen sollen gemeinsam mit Unternehmen Tandem-Programme einrichten. So könnten sie potenziellen Nachwuchs auf das Berufsziel Fachhochschulprofessor frühzeitig aufmerksam machen. Ausgewählte junge Berufstätige mit Promotion würden dann in enger Anbindung an eine Fachhochschule, etwa durch Lehraufträge, für die Laufbahn qualifiziert. Bundesweit 15 bis 20 solcher Tandem-Programme mit je 15 bis 20 Teilnehmern schweben dem Rat vor.

Doch warum sollten sich Unternehmen ihre dringend benötigten Fachleute überhaupt abspenstig machen lassen wollen? Der Rat argumentiert, die Firmen hätten durch die Tandem-Programme einen besseren Zugang zu Studenten und zur Forschung an Fachhochschulen. Allerdings sind heute viele Betriebe sowieso schon gut mit der Hochschulforschung vernetzt.

Nur selten können Fachhochschulen mit den von der Industrie gezahlten Gehältern mithalten - ein Ingenieur oder Informatiker in der freien Wirtschaft verdient schnell das Doppelte. Deshalb müssen sie nicht nur Überzeugungsarbeit bei der Akquise leisten, sie müssen die gewonnenen Professoren auch halten. Damit die Aufgabe attraktiv bleibt und Professoren sich weiterentwickeln können, empfiehlt der Rat, mehr Schwerpunktprofessuren auszuweisen. Inhaber solcher Stellen könnten sich zeitlich befristet und mit einem Lehrdeputat von nur elf statt 18 Semesterwochenstunden bestimmten Projekten widmen, "etwa um Lehrinnovationen zu entwickeln, Kooperationen anzubahnen und Transferbeziehungen zu intensivieren oder um Forschungsvorhaben umzusetzen", erklärt Manfred Prenzel.

Zustimmung erhält der Wissenschaftsrat von gleich zwei Hochschulverbünden, die seine Ideen für "innovative strukturierte Zugangswege" loben. Anders als der Rat beziffern sie die von Bund und Ländern erhofften Finanzmittel: Die Fachhochschulen sollten bei der Gewinnung von Professoren mit einer Milliarde Euro über 15 Jahre unterstützt werden. Dieselbe Fördersumme war im Mai für den wissenschaftlichen Nachwuchs an Universitäten beschlossen worden.

Beide Verbände wollen bald eigene Vorschläge machen, wofür das Geld unter anderem ausgegeben werden sollte. Der UAS7, der sieben große forschungsorientierte Fachhochschulen vertritt, kündigte für 2017 eine Informationskampagne an. Denn obwohl 41 Prozent aller Professuren an Fachhochschulen angesiedelt seien, sei diese Karriereoption unter Praktikern in der Wirtschaft längst nicht bekannt genug. Die Hochschulallianz für den Mittelstand, der zehn Fachhochschulen angehören, will noch in diesem Jahr ein Modell vorstellen, das Nachwuchswissenschaftlern sowohl zur nötigen Berufserfahrung verhelfen soll als auch zur Weiterqualifizierung in Richtung Professur.

© SZ vom 26.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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