Analyse zum Haushalt:"Der Sparplan ist voller Baustellen"

Luftbuchungen, schlechtes Timing und 5,6 Milliarden Euro aus dem Nichts: Politologe Uwe Wagschal analysiert das Sparpaket der Bundesregierung. Er hat schon viele Staatshaushalte verglichen - und findet in Merkels Entwurf wenig Erbauliches.

Gökalp Babayigit

Uwe Wagschal ist Professor für Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Vergleichende Regierungslehre an der Universität Freiburg.

Kabinettsklausur zum Sparhaushalt

Guido Westerwelle und Angela Merkel bei der Vorstellung ihres Sparplans. Nach Einschätzung von Uwe Wagschal wurde eine Chance verpasst.

(Foto: ddp)

sueddeutsche.de: Kanzlerin Merkel und FDP-Chef Westerwelle haben am Montag ihr Sparpaket vorgestellt - die Reaktionen waren weitgehend negativ. Gibt es auch etwas Gutes darüber zu sagen?

Uwe Wagschal: Es war positiv, wie die Bundesregierung ihr Vorhaben kommuniziert hat. In vielen Ländern ist die Institution einer Kabinettsklausur schon seit längerem fest etabliert und ein wichtiges Instrument. Was wir zuvor von der Bundesregierung gesehen haben, war doch sehr lauwarm. Meist fanden nur Gespräche zwischen Finanzministerium und den jeweiligen Ministerien statt. Es ist gut, dass hier versucht wird, eine Steuerung von oben, eine Top-down-Steuerung, einzuführen.

sueddeutsche.de: Wenn man sich das Paket genauer ansieht, erscheinen manche Sparvorhaben aber reichlich nebulös. Die Opposition benutzte das Wort "Luftbuchung".

Wagschal: Ja, es gibt einige Punkte, bei denen anscheinend das Prinzip Hoffnung gilt.

sueddeutsche.de: Zum Beispiel?

Wagschal: Die globale Minderausgabe etwa, mit der die Regierung 2014 aus dem Nichts 5,6 Milliarden Euro einsparen will. Hier ist völlig unklar, wo die herkommen soll. Dann die Zinsersparnis durch niedrigere Kredite ...

sueddeutsche.de: ... durch die der Bund bis 2014 fünf Milliarden Euro einsparen will.

Wagschal: Zunächst einmal müssen wir feststellen, dass wir viel höhere Kredite aufgenommen haben, als ursprünglich in der vorhergehenden Finanzplanung erwartet. Und wir wissen nicht, was auf der Zinsseite ist. Möglicherweise wird die Zentralbank wieder an der Zinsschraube drehen. Jetzt sind wir in einem paradiesischen Zustand, aber lassen Sie mal eine Veränderung auf der Zinsseite kommen: Wenn die historisch niedrigen Zinsen nicht beibehalten werden können, dann wird das wieder teurer werden.

sueddeutsche.de: Die Regierung will auch im eigenen Verwaltungsbereich sparen.

Wagschal: Ja, allerdings ist die "Kürzung disponibler Ausgaben" auch eine Luftbuchung. Für die Kommunikation eines rigiden Sparkurses ist es natürlich positiv, zunächst bei sich anzufangen. Wir wissen aber, dass die Haushalte in Verwaltung und öffentlichem Dienst in hohem Maße festgelegt sind. Ob die Ausgaben wirklich so disponibel sind, ist zweifelhaft.

sueddeutsche.de: Und dann finden sich noch Dinge in der Liste, die politisch noch gar nicht durchgesetzt sind.

Wagschal: Genau. Bei der Bankenabgabe muss erst noch gesetzgeberisch etwas getan werden, bevor man eine Beteiligung des Bankensektors für sich verbuchen kann (sechs Milliarden Euro bis 2014, Anm. d. Red.). Auch ob Dinge wie die Abschaffung des Elterngeldes Bestand haben werden, wage ich zu bezweifeln. Ich bin nicht sicher, ob das vor dem Verfassungsgericht besteht. Die Erfahrung zeigt, dass die Deutschen bei Sozialkürzungen sehr klagefreudig sind.

sueddeutsche.de: Spielt die Regierung auf Zeit?

Wagschal: Das Timing ist das größte Problem: 40 Prozent aller Konsolidierungsmaßnahmen fallen erst in der nächsten Legislaturperiode an. Wenn noch das Jahr 2013 hinzukommt - das Jahr der nächsten Bundestagswahl -, dann sind wir bei fast 75 Prozent der Einsparsumme. Die Regierung mag einen Kommunikationserfolg gehabt haben. Trotzdem ist der Sparplan noch voller Baustellen, bei denen völlig unklar ist, was die Zukunft bringen wird. Das Prinzip Hoffnung regiert.

Was nicht im Sparplan steht - und welche Chance die Regierung verpasst hat

sueddeutsche.de: Wenn wir nun darauf schauen, was nicht im Sparplan drinsteht: Was wurde etwa beim Subventionsabbau versäumt?

Wagschal: Der Staat verteilt noch relativ viele Subventionen. Man hätte sicherlich noch Erlöse erzielen können, wenn man sich allein den Beteiligungsbericht anschaut. Aber über Privatisierung zu sprechen, ist nicht opportun und politisch eher unklug - völlig unabhängig davon, ob sie sinnvoll ist oder nicht. Als FDP hätte man sich den Subventionsabbaubericht mal vornehmen und abarbeiten können. Hier haben die Liberalen völlig versagt. Stattdessen gab es Wahlgeschenke wie für die Hoteliers. Allein diese Maßnahmen haben den Konsolidierungsbedarf um acht Milliarden Euro nach oben getrieben.

sueddeutsche.de: Wird der Sparplan - wie von manchen befürchtet - Einfluss auf die Konjunkturerholung haben?

Wagschal: Das ist zu kurz gedacht. Wir haben ja auch gesehen: Trotz des Einbruchs der Wirtschaftsleistung fand auf dem Arbeitsmarkt beinahe eine Erholung statt. Was wir in der Vergangenheit aber im internationalen Vergleich oft beobachtet haben: Viele Länder, die konsolidieren, haben deutlich besser gewirtschaftet, was etwas mit sichereren Erwartungen zu tun hat. Wenn Sie den Staatshaushalt in Ordnung bringen, dann schaffen Sie sicherere Rahmenbedingungen. Die Leute können davon ausgehen, dass die Steuern nicht zu sehr erhöht werden und investieren dann mehr. Konsolidieren bedeutet auch Sicherheit. Staatsverschuldung bedeutet Unsicherheit. In unsicheren Zuständen neigt der Bürger und neigt die Wirtschaft nicht dazu, groß zu investieren.

sueddeutsche.de: Dem Sparplan der Bundesregierung haftet der Vorwurf an, er sei nicht gerecht. Stimmen Sie dem zu?

Wagschal: Auch wenn Deutschland im internationalen Vergleich immer noch ein gerechtes Land ist: Eine gewisse Schieflage ist natürlich da. Die Bundesregierung hat nicht wirklich auf das Prinzip Solidarität gesetzt. Wir wissen von erfolgreichen Konsolidierungen, dass man die Wohlhabenden einbinden muss. Man hätte über eine Vermögensteuer nachdenken und auch den Spitzensteuersatz erhöhen können. Wenn man spart, dann sollte man das auf möglichst viele und möglichst breite Schultern verteilen.

sueddeutsche.de: Hat die Bundesregierung hier also eine Chance verpasst?

Wagschal: Es wäre eine Chance gewesen, bei den Besserverdienenden einzusteigen. Die soziale Austarierung ist wichtig, um die Legitimität und Akzeptanz eines solchen Vorhabens zu erhöhen. Das ist hier nicht gelungen.

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