Presseschau zur Wahl in Nordrhein-Westfalen:Konkurrenz für die Kanzlerin

Über den Triumph von Hannelore Kraft sind sich die Medien einig. Mit ihrem Kuschelkurs könnte es die SPD-Frau manchen Kommentatoren zufolge auch bald mit der Kanzlerin aufnehmen. Als tragische Figur kürt die Presse hingegen einstimmig CDU-Spitzenmann Norbert Röttgen - der die Wahl völlig "verkorkst" hat.

Carolin Gasteiger

So eindeutig wie das Wahlergebnis fällt auch die Meinung der Kommentatoren deutscher Medien aus zum Urnengang in Nordrhein-Westfalen: Hannelore Kraft ist klare Siegerin, Norbert Röttgen klarer Verlierer. Aber wo genau Krafts Stärke liegt und ob sich das Wahlergebnis auch auf Berlin auswirkt, da sind die Pressevertreter geteilter Ansicht. Ein Überblick.

North Rhine-Westphalia Holds State Parliamentary Elections

Als "neue Hoffnungsträgerin der SPD" feiert die Westdeutsche Allgemeine Zeitung Hannelore Kraft. Einige Medien sehen sie gar als künftige Kanzlerkandidatin.

(Foto: Getty Images)

Stuttgarter Zeitung: "Hannelore Kraft ist es gelungen, in zwei Jahren aus einer schwierigen Position als Vorsteherin einer rot-grünen Minderheitsregierung mit Duldung durch die Linkspartei zur Landesmutter zu werden - 'eine von uns' Rheinländern oder Westfalen, die unsere Sorgen und Nöte teilt. Frau Kraft hat die Seele ihrer Bürger mit ihrer 'vorsorgenden Sozialpolitik' gestreichelt. Dass sie dabei trotz steigender Einnahmen das Defizit weiter erhöht hat, nahm man ihr nicht übel - im Gegenteil. Offensichtlich, das ist die Botschaft, die von Düsseldorf nach Berlin schallt, sind die Bürger den Konsolidierungskurs leid."

Spiegel.de: "In Nordrhein-Westfalen zeigt sich einmal mehr, wie wichtig in der Politik Personen und Persönlichkeiten sind. Die Deutschen sind unberechenbar geworden; viele entscheiden sich bei Wahlen kurzfristig nach Lust und Laune. Da kommen die Kandidaten ins Spiel: Weil die politischen Programme der Volksparteien deckungsgleich sind, müssen die Menschen für Unterscheidbarkeit sorgen. Hannelore Kraft ist keine politische Überfliegerin, aber sie strahlt Vernunft und Verlässlichkeit aus. Ihr Gegner, Norbert Röttgen, blieb dagegen blass. Deshalb hat sie gewonnen."

Rhein-Neckar-Zeitung: "Ein SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück oder Steinmeier oder Gabriel - im Angesicht dieser Siegerin? Undenkbar. Kraft hat es als erste Genossin geschafft, die Entfremdung von der Basis vergessen zu lassen. Während Hartz IV und die Rente mit 67 immer noch als Hinterlassenschaften von Schröder und Müntefering wie Mühlsteine an den Umfragewerten der Bundespartei hängen, vermochte es die Frau aus Mülheim an der Ruhr, den Glauben der Sozialdemokraten an die eigenen Werte wieder zu festigen. In NRW ist die SPD seit Sonntagabend wieder Volkspartei."

Rheinische Post: "Norbert Röttgen hat sein Wahlziel erreicht. Er kann in Berlin bleiben. Normalerweise beginnt man die Analysen von Wahlen mit dem Gewinner und künftigen Ministerpräsidenten. Doch diese Landtagswahl wurde mehr vom unterlegenen CDU-Spitzenkandidaten geprägt. Gestartet als Bundesumweltminister und gar nicht so heimliche Kanzlerreserve der Union, hat Norbert Röttgen für seine Partei ein historisch schlechtes Ergebnis eingefahren. Diese Niederlage hat mehr mit Röttgen selbst als mit der Landes-CDU zu tun. Sein Wahlkampf war von vornherein verkorkst."

General-Anzeiger: "Das (gestrige) Wahlergebnis in Nordrhein-Westfalen lenkt den Blick zuerst auf den Bundesumweltminister und bisherigen Vorsitzenden des mächtigen CDU-Landesverbandes NRW. Mit der überraschenden Neuwahl-Entscheidung im März wurde Röttgen auf dem falschen Fuß erwischt. Der Landesvorsitz und das damit verbundene starke politische Fundament passten ihm zwar durchaus in den Kram. Aber als Spitzenkandidat im NRW-Wahlkampf, an der Basis im Ruhrpott, beim Derby Schalke gegen Dortmund, beim Bratwurstessen in Castrop-Rauxel? Röttgen fremdelte, ohne dass er es zugeben wollte."

Westfälischer Anzeiger: "Schwarz-Gelb hat ein weiteres Mal verloren. Da aber auf Bundesebene auch eine rot-grüne Mehrheit nicht in Sicht ist, wächst die Wahrscheinlichkeit einer großen Koalition aus Union und einer etwas kleineren SPD. Auch wenn die Spekulationen (gestern) neue Nahrung bekamen: NRW-Wahlsiegerin Hannelore Kraft dürfte unter solchen Umständen wenig Interesse haben, im nächsten Jahr als SPD-Kanzlerkandidatin zweite Siegerin zu werden. Vielleicht ist deshalb ihr Bekenntnis zum Heimatland vor allem die Folge einer realistischen Beurteilung der Lage. Klare Verhältnisse hat die Ministerpräsidentin allein in Nordrhein-Westfalen."

Westdeutsche Allgemeine Zeitung: "Hannelore Kraft ist nicht nur die alte und neue Ministerpräsidentin des bevölkerungsreichsten Bundeslandes. Sie ist auch die neue Hoffnungsträgerin der SPD. Parteichef Sigmar Gabriel hat sie schon einmal als Kanzlerkandidatin der Sozialdemokraten ins Spiel gebracht, die Debatte wird ab heute eine eigene Dynamik entfalten. Dies umso mehr, als die SPD mit Kraft als landesmütterlicher Identitätsfigur gegen den Bundestrend zugelegt hat, und zwar um satte zehn Prozent. Es ist umgekehrt wie in der CDU, wo Norbert Röttgen mit ungefähr demselben Abstand gegen den Bundestrend verlor. Im Wahlkampf hat Kraft versprochen, in NRW zu bleiben. Dieses Versprechen wird sie nicht brechen wollen."

Frankfurter Rundschau: "Hannelore Kraft ist ein paar Jahre jünger als Angela Merkel. Sie vertritt andere politische Positionen, vor allem wenn es ums Geld geht. Merkel will dem Staat das Schuldenmachen austreiben, Kraft findet Schulden nicht schlimm. Dennoch haben diese beiden Frauen viel gemeinsam. Beide haben eine menschliche, ja mütterliche Ausstrahlung. Sie verunsichern ihre Wähler nicht, sondern versuchen ihnen Sicherheit in unsicheren Zeiten zu vermitteln. Sie lassen andere die harten Debatten führen, ohne selbst zu polarisieren. Sie schaffen Vertrauen. Von ihrem Naturell her ist Hannelore Kraft eine Merkel in Rot. Gerade deshalb sollten die ach so wichtigen Männer in der SPD sich vorsehen."

Mitteldeutsche Zeitung: "Jetzt, mit einer klaren Mehrheit im Parlament, muss die Ministerpräsidentin allerdings beweisen, dass sie sich nicht nur um die Menschen kümmert, sondern vor allem auch die finanziellen Probleme des Landes und der Kommunen in den Griff bekommt. Ihr CDU-Herausforderer Norbert Röttgen, in Berlin Bundesumweltminister, hatte ja völlig Recht, die Verschuldungspolitik zum Thema zu machen. Nur wollten die Menschen in Nordrhein-Westfalen davon so wenig hören wie die Griechen. Röttgen ist an sich selbst gescheitert. Der brillante Kopf hatte mit seiner unausgesprochenen Weigerung, auf jeden Fall nach Düsseldorf zu gehen, der SPD-Kampagne 'NRW im Herzen' nichts entgegenzusetzen. Seine Karriere in der CDU wird mehr als einen Dämpfer erleiden. Als Nachfolger Angela Merkels im Kanzleramt wird man Röttgen nicht wieder nennen."

Leipziger Volkszeitung: "Röttgens grottenschlechter Landtagswahlkampf ist nicht mehr steigerungsfähig. Hier hat sich einer bis auf Weiteres von der Bühne der wichtigen Entscheider verabschiedet. Im Ergebnis werden in Merkels Union nun ganz sicher die Messer gewetzt und CSU-Boss Seehofer wird seinen politischen Hungerstreik 'gegen die da in Berlin' ausweiten. Seit gestern herrscht in der Union Infektionsgefahr. Neuwahlen im Bund wären fällig, würde es den Regierenden darum gehen, weiteren Schaden vom Land abzuwenden. Die bürgerliche Rumpel-Koalition - und nicht nur Norbert Röttgen - wird zur Belastung des Standortes Deutschland. Hanni und Nanni in Düsseldorf dürfen ihren Ponyhof in der Staatskanzlei weiter führen."

Berliner Zeitung: "Vielleicht ist es ja wirklich an der Zeit, die Frauen ranzulassen. In Berlin, in NRW, wo auch immer. Weil der Typ Merkel/Kraft das Lebensgefühl der Menschen so gut trifft. Wird schon werden, lautet ihre zentrale Botschaft, wir kümmern uns drum. Und wo die Problemlage unübersichtlich ist, also eigentlich überall, da bleiben wir erst mal vorsichtig, riskieren nicht so viel. Früher war Politik das Versprechen auf eine bessere Zukunft. Heute übt offenbar das Versprechen, dass es bleiben kann wie es ist, eine unwiderstehliche Anziehungskraft aus. Merkel und Kraft wissen, ihre Wähler ahnen es zumindest, dass das nur eine Hoffnung ist, wahrscheinlich eine Illusion."

Klare Konsequenzen für Kanzlerin Merkel

Kölner Stadt-Anzeiger: "Eine Mehrheit der Wähler will ganz offenbar den behütenden und die Dinge regelnden Staat. Einen starken Staat, der verteilt, auch wenn er das auf Pump tut und sich eigentlich schwächt. Da passte es, dass sich Hannelore Kraft, die man auch barsch und streng kennt, geschickt als Landesmutter zu inszenieren wusste. All das wird Konsequenzen auch für die Politik in Berlin haben. Zum einen wird Kraft, ob sie es will oder nicht, als mögliche Kanzlerkandidatin gehandelt. Ihr Wohlfühl-Wahlkampf wird uns 2013 wieder begegnen - weil er Erfolg hatte."

Stuttgarter Nachrichten: "Merkel wird mit Fug und Recht behaupten können, das nordrhein-westfälische CDU-Debakel sei vor allem hausgemacht. Schließlich trägt es einen Namen: Norbert Röttgen, ein falscher Mann im falschen Film. Der Abschrecker. Auf Distanz und Durchreise. Doch das ist es nicht allein. Denn weniger denn je ist die gesamte CDU eine klare, auch Unentschlossene mobilisierende Alternative zu SPD oder Rot-Grün. Und das liegt auch, aber eben nicht nur an Röttgen, der lustlos abwägend eher an Merkels pragmatisch-wendigen Kabinetts- denn an einen anspruchsvollen Stammtisch passt. Die NRW-Wahl ist kein politisches Erdbeben, aber sie zeigt: Merkel steht, allenfalls, nur noch für eine Große Koalition - und sonst ziemlich allein auf weiter Flur. Ein klarer Kurs fällt da schwer. Wie soll ein Chamäleon auch Farbe bekennen?"

Neue Westfälische Zeitung: "Die Sparpolitik à la Bundeskanzlerin Merkel ist in NRW abgewählt worden. Nach wie vor beschäftigt die Menschen zwar die Solidität der Staatsfinanzen und die Stabilität des Euro. Aber die Frage nach einer wachstumsorientierten Haushaltspolitik, die Maßnahmen zu einer Stabilisierung der Wirtschaft und der Arbeitsmärkte ergreift, gewinnt an Bedeutung. Damit erneuert sich eine Erkenntnis aus der französischen Präsidentschaftswahl: Nur wer das Thema solider Staatsfinanzen mit wachstumsorientierter Politik verbindet, wird erfolgreich sein. (...) Norbert Röttgen ist der große persönliche Wahlverlierer. Er hat - zunächst in NRW - daraus sofort und richtigerweise die Konsequenzen gezogen. Aber das Ausmaß dieser Niederlage wirkt weit in die Union hinein, auch in die Bundesregierung. Dass Angela Merkel der Strategie ihres eigenen Ministers öffentlich die Unterstützung entzog, wird Wirkung auf die innerparteiliche Debatte haben. 6. Vermutlich hat bereits der Bundestagswahlkampf 2013 begonnen. Es wird ein harter Lagerwahlkampf werden. Das Merkel-Lager ist gestern kleiner geworden."

Ein wenig anders ist der Blick von taz.de: Ist diese Wahl also ein historischer Drehpunkt - der Anfang vom Ende von Merkels Kanzlerschaft und die Auflösung der Selbstblockade von Mitte-Links? First we take NRW, then we take Berlin? Für SPD und Grüne ist das eine schöne Geschichte, etwas zu schön, um wahr zu sein. Historie wiederholt sich nicht, auch nicht spiegelverkehrt. Hannelore Kraft hat gegen Norbert Röttgen gewonnen, nicht gegen Merkel. Und das war das Duell authentisch gegen arrogant. Das Geheimnis von Krafts Erfolg ist, dass sie, ohne blass zu wirken, die politische Mitte okkupierte. Sie schaffte mit der Linkspartei die Studiengebühren ab und beendete mit der CDU den Schulkampf. Alle Angriffe von rechts und links perlten danach an ihr ab. So clever postideologisch inszeniert sich sonst nur - Angela Merkel.

Landeszeitung (Lüneburg): "Klarer geht's kaum: Rot-Grün kann künftig das bevölkerungsreichste Bundesland regieren. In Ruhe. Mit Kraft. Der große Wahlerfolg der SPD ist vor allem Hannelore Kraft zu verdanken. Wer sie aber schon zur Herausforderin Angela Merkels hochstilisiert, vergisst, dass sie klar gesagt hat, sie gehöre nach Nordrhein-Westfalen. Eine Aussage, die Röttgen nie über die Lippen kam. Er hat deshalb die Quittung für einen Wahlkampf erhalten, der mit Kämpfen nicht viel zu tun hatte. Überrascht hat dagegen das Ergebnis der FDP. Das hatte weniger mit der Bundespolitik, sondern viel mehr mit Christian Lindner zu tun. Jenem jungen Wilden, der als Generalsekretärs einst zurücktrat, weil er den Zick-Zack-Kurs seines Parteichefs Rösler nicht mehr länger den Wählern verkaufen wollte."

Und gar einen Blick nach Europa wagt das Hamburger Abendblatt:

"Das Ergebnis von Düsseldorf dürfte bis nach Europa ausstrahlen. Röttgen hatte die Wahl eine 'Abstimmung über die Europapolitik der Bundesregierung' genannt, bevor Angela Merkel ihm öffentlich widersprach. Zwar haben die Menschen zwischen Münsterland und Eifel einen Landtag und eine Landesmutter gewählt, doch die Wahrnehmung im Ausland könnte eine andere sein. Sollte sich in Europa der Eindruck festigen, Merkel sei eine Kanzlerin auf Abruf, dürfte dies ihren Einfluss und ihre Macht schmälern. Angela Merkel wird in Zukunft noch stärkere Nerven brauchen."

Frankfurter Allgemeine Zeitung: "'Wir in Nordrhein-Westfalen', das Wahlkampfmotto des Jahres 1985, wurde zum geflügelten Wort für die Übereinstimmung von Partei und Lebensgefühl, von Personen und Programm und - nicht zu vergessen - von Rheinländern und Westfalen. Seit diesem Wahlsonntag ist 'Wir in NRW' nicht mehr nur Geschichte. Sieben Jahre nach der Niederlage gegen die CDU von Jürgen Rüttgers und zwei Jahre nach dem schlechtesten Wahlergebnis in Nordrhein-Westfalen seit einem halben Jahrhundert hat die SPD einen Sieg errungen, der Maßstäbe setzt. Denn kaum einmal seit dem Wahlsieg Schröders in der Bundestagswahl 1998 war der Glaube der SPD an sich stärker als zwischen Rhein und Weser in den vergangenen Wochen."

Schwäbische Zeitung: "Es ist die sozialdemokratische Rolle rückwärts. Weg von Gerhard Schröder und der Agenda 2010, hin zu Johannes Rau und damit hin zum Wohlfühlen, Umsorgen, ja keinen Streit anzetteln. Hohe Schulden trotz Rekordsteuereinnahmen, klamme Kommunen und eine schwer identifizierbare Wirtschaftspolitik waren keine Themen beim Wahlkampf im Industriestandort Nordrhein-Westfalen. NRW hat am Muttertag die Landesmutter Hannelore Kraft gewählt und gezeigt, dass auch Deutschland in Zeiten der Euro-Schuldenkrise nicht zwingend sparen möchte. Düsseldorf war in der bundesdeutschen Geschichte häufig Schrittmacher. Am Rhein wurden erstmals sozialliberale Bündnisse geschmiedet, dann Rot-Grün etabliert und mit der SPD-Niederlage 2005 wurde die Kanzlerschaft von Angela Merkel eingeläutet, die für Haushaltsdisziplin steht. Jetzt siegte eine SPD-Kandidatin haushoch, die Probleme professionell weglächelt und damit bei den Menschen sehr gut ankommt. Die SPD zelebrierte Kraft, ihre Minister spielten noch nicht einmal Nebenrollen. Kraft hielt dafür das alte gewerkschaftsnahe 'Wir-Gefühl' aus den 1980er-Jahren hoch und wird damit zu einer ernstzunehmenden Gegenspielerin der nüchtern auftretenden Angela Merkel."

Röttgen als klarer Verlierer

Financial Times Deutschland: "Röttgen ist die Steigerung von Rüttgers. Und der war für die nordrhein-westfälische CDU schon eine Katastrophe, als er vor zwei Jahren das schlechteste Wahlergebnis einfuhr. An Rhein und Ruhr hat sich Röttgen nach einigem Murks im Wahlkampf schon Hohn und Spott zugezogen. Jetzt kehrt er mit Schimpf und Schande nach Berlin zurück, wo sich Angela Merkel die Frage stellen wird, ob er ihr als Umweltminister wirklich mehr nützt als schadet. Seinen Ehrgeiz, die Kanzlerin einmal zu beerben, kann er jedenfalls begraben. Kronprinz, das war einmal. (...)"

Freie Presse: "Schon wieder ist ein Hoffnungsträger der CDU gescheitert. Einer aus dem Merkel-Team. Ein junger, smarter, intellektueller Typ, dem das Volk offenbar zu kompliziert war. Norbert Röttgen hat die Wahl in Nordrhein-Westfalen grandios vergeigt, weil er mit dem Kopf in Berlin und bei sich war. Größe hat er mit seinem schnellen Rücktritt erst (gestern) in der Niederlage gezeigt. Das Ergebnis wird seiner Karriere nicht gut tun, bereitet Angela Merkel neue Probleme mit dem traditionellen Parteiflügel und beschert dem hochverschuldeten Nordrhein-Westfalen mit seinen noch klammeren Kommunen eine neue rot-grüne Regierungszeit. Sie wird dem Land nur dann gut tun, wenn Ministerpräsidentin Hannelore Kraft die Welt mit einem Kurswechsel ebenso zu überraschen vermag wie einst Bundeskanzler Gerhard Schröder mit seiner Agenda 2010."

Mannheimer Morgen: "Die Blamage des Bundesumweltministers ist nur noch vergleichbar mit der schmählichen 2:5-Niederlage der Münchner Bayern gegen Borussia Dortmund. Und Röttgens Mission fällt umso kläglicher aus, als die ebenso sympathische wie bodenständige SPD-Ministerpräsidentin mit ihrem fulminanten rot-grünen Wahlsieg nun alles weit überstrahlt. Sie zielte auf die Herzen der Wähler, ihrem intellektuell blass wirkenden Herausforderer dagegen fehlt völlig das Talent zum Menschenfänger. Doch bevor SPD-Chef Sigmar Gabriel seine Partei bereits im Kanzleramt regieren sieht, sollte er bedenken, dass der sozialdemokratische Triumph in Nordrhein-Westfalen einen Namen hat: Hannelore Kraft. Es ist noch lange nicht garantiert, dass es ein Gabriel, Frank-Walter Steinmeier oder Peer Steinbrück ebenso gut machen kann."

Nürnberger Zeitung: "Wer Nordrhein-Westfalen unterschätzt, dem kann es ergehen wie Bayern München gegen Dortmund oder Norbert Röttgen an den Urnen. Röttgen hat nicht nur die Wahl an Rhein und Ruhr verloren, er muss den Landesvorsitz abgeben und wird als zahnloser und geschwächter Umweltminister nach Berlin zurückkehren. Schlimmer noch: Jede Hoffnung auf eine künftige Kanzlerschaft muss er sich jetzt abschminken."

Nicht Röttgen allein, sondern die ganze Union als Verlierer konstatiert die Lausitzer Rundschau:

"Man kann seit Sonntag förmlich auf den Windstoß warten, der Angela Merkels schwarz-gelbe Machtzitadelle davonfegen wird. Da steht nur noch eine marode Hülle. Und es liegt ja nicht nur an der FDP. Die Liberalen sind seit gestern wieder etwas stabilisiert. Allerdings werden die Unruhen dort weitergehen, weil sich mit Christian Lindner einer in einem schweren Wahlkampf Achtung erworben hat, der die Partei perspektivisch womöglich besser führen kann als ihr aktueller Vorsitzender. Schon in die Bundestagswahl? Das könnte das Theaterstück des Winters werden. Das Problem ist die Union selbst. 2005 war für Schröder Schluss, als die SPD in Nordrhein-Westfalen die Macht verlor. Und Merkels Karriere begann. Jetzt ist die Union abgestürzt. Das Ergebnis ist eine historische Blamage. Aber es ist nicht die erste. In fast allen zurückliegenden Landtagswahlen hat Schwarz-Gelb teils drastisch verloren, mal die CDU, mal die FDP, oft beide. Regierung um Regierung musste abgegeben werden. Und gestern hat die SPD auch noch zum ersten Mal einen richtigen Sieg errungen, nicht so einen halben wie sonst immer. Sie kann nun im Bundestagswahlkampf behaupten, dass eine rot-grüne Mehrheit möglich sei, trotz der Zersplitterung im linken Lager."

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