Presseschau zu Jörg Haiders Tod:"Skrupelloser Populist"

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Demagoge oder doch Charmeur? Auch nach seinem Unfalltod scheiden sich am Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider die Geister.

Ein Blick in die Zeitungen

Die internationale Presse beurteilt die Auswirkungen des Todes von Jörg Haider unterschiedlich. Nur in einem sind sich alle einig: Mit dem 58-jährigen Kärntner Landeshauptmann, der zu Lebzeiten immer für eine Schlagzeile gut war, stirbt ein Unikum der österreichischen Politikerbühne.

Der umstrittene österreichische Rechtspolitiker Jörg Haider ist in der Nacht zum Samstag bei einem Autounfall ums Leben gekommen. (Foto: Foto: AP)

Über die Persönlichkeit des Kärntner Landeshauptmanns urteilt Der Standard aus Wien:

"Der hochbegabte Haider hingegen lebte seinen politischen Egotrip real: mit manchen guten Seiten, aber meist auch mit brutaler Rücksichtslosigkeit auf Kosten anderer. Stilistisch war er ein Trendsetter. Und er konnte im persönlichen Umgang sehr charmant, einfühlsam sein, auch gegenüber Leuten, die ihn kritisierten. Ein Mann mit Charisma, ohne Zweifel, und ein beinharter Politiker. Aber keine Kultfigur. Dazu fehlt in seinem Nachlass das Große."

Haiders Charme und Charisma sind für den Bonner General-Anzeiger der Grund, warum der Rechtspopulist so gefährlich war:

"Jörg Haider ist tot. Wer ihn kannte, konnte von seinem Charme und seinem Charisma eingenommen sein. Und diese Gabe brachte ihm den politischen Erfolg, sie machte ihn so gefährlich. Haider war sicher kein Nazi, als den ihn manche seiner Gegner dargestellt haben. Aber er fischte im Trüben, und viele seiner Positionen waren unsäglich und völlig unakzeptabel - wie der Hinweis auf die angeblich positive Beschäftigungspolitik der Nazis."

Für das Luxemburger Wort passt der Unfalltod zum Leben des wechselhaften Politikers:

"Er ist so gegangen, wie es seine Manier war: mit einem Donnerschlag. Jörg Haider scheute keine Kontroverse, im Gegenteil, er suchte sie, denn sie war sein Lebenselixier. Der einstige Führer von Österreichs Freiheitlichen lebte geradezu vom Eklat und Affront. Von den etablierten Parteien ausgesparte schmuddlig-braune Themen wie Ghettobildung, illegale Einwanderung, Asylmissbrauch oder Ausländerkriminalität waren das politische Kapital dieses begnadeten Populisten, der ein feines Gespür für Stimmungen im Volk besaß. Dabei bediente er sich gekonnt des modernen Polit- und Medien- Instrumentariums. Je nach Erfordernis schlüpfte er mal in die Rolle des Biedermannes, mal in jene des Buhmannes und mal gar des Missverstandenen. Er balancierte immer haarscharf auf dem Grat des gerade noch Tolerierten, zündelte aber oft gefährlich. (...) Doch mit Liberalismus hatten die Haider-Wahlvereine nichts mehr gemein. Ohne ihn werden beide an Anziehungskraft verlieren. Doch auch dieses Wählerreservoir will bedient werden. So wird es nach einem neuen selbsternannten Volkstribun suchen."

Einige Stimmen sagen mit dem Tod des BZÖ-Chefs Haider nicht nur das Ende der von ihm gegründeten Partei voraus, sondern auch eine Neuverteilung der politischen Kräfte im Land. Die Berliner Zeitung prophezeit, dass die Erben sich dabei den Kärntner Landeschef zum Vorbild nehmen werden:

"Haiders Partei BZÖ dürfte den Tod ihres Gründers, Vordenkers und alleinigen Kaderchefs kaum lange überleben. Aber auch ohne Jörg Haider wird Kärnten gegen das starke Element einer radikalen Rechtspartei nicht zu regieren sein - und ganz Österreich nur schwer. Darin liegt eine Versuchung für die Erben, sich mit dem Gedankengut und den Methoden des Verstorbenen zu befreunden. Seit dem Wochenende ist Österreichs radikale Rechte nicht nur in den Salons, sondern auch auf dem Ehrenfriedhof vertreten."

Laut dem Fränkischen Tag aus Bamberg wird sich das politische Kräfteverhältnis im Land verändern:

"Der tödliche Unfall beendet nicht nur das Comeback des ewigen Stehaufmännchens. Die extreme Rechte Österreichs hat ihren wirksamsten Propagandisten verloren - das wird Folgen für die politische Gewichtsverteilung haben."

Für den Münchner Merkur stellt der Tod von Jörg Haider eine Zäsur im ganzen Land da:

"Jörg Haider war der beliebte Regierungschef des österreichischen Bundeslandes Kärnten, und er war ein skrupelloser Populist, der kein Zündholz in der Schachtel lassen konnte, selbst wenn er vor einem Heuschober stand. Haider provozierte wütende Kritik und kritiklose Verehrung; kalt ließ er niemanden. Sein Tod bedeutet für das Land eine Zäsur. Denn mit Haider hat der Rechtspopulismus in der Alpenrepublik das eingebüßt, was ihn so verführerisch, so wirkungsvoll und so gefährlich machte: Sein smartes, scheinbar ewig jugendliches Gesicht. Haiders Ex-Schüler, FPÖ-Chef Strache, hämmert zwar verbissen auf der Klaviatur ausländerfeindlicher Vorurteile herum, verfügt aber weder über die rhetorische Brillanz noch den Naturburschen-Charme seines Mentors."

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