Presseschau:Wo sich Trumps Wähler informieren

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Wer als Korrespondent in Amerika arbeitet, der muss jetzt rechte Nachrichtenportale lesen.

Von Hubert Wetzel

Spätestens jetzt, da Donald Trump Präsident der USA wird, gibt es keine Entschuldigung mehr für Ignoranz. Wer wissen will, wie jene Hälfte von Amerika denkt, die den Republikaner gewählt hat, wer wissen will, welche "Nachrichten" diese Hälfte täglich vorgesetzt bekommt, der muss sich durch die Medien kämpfen, die diese Hälfte bedienen. Das Spektrum ist breit, und man muss nicht allen Verschwörungsblödsinn lesen, der da herumgereicht wird. Aber kein Korrespondent kann es sich mehr leisten, jeden Morgen nur vornehm die Times, die Post oder das Journal zu studieren. Wenigstens eine Bookmark im Internet-Browser für www.breitbart.com ist inzwischen Pflicht.

Vielleicht wird da schon der Boden für die Expansion bereitet, wer weiß, jedenfalls berichtet Breitbart derzeit auffällig viel über Deutschland. Zur Erinnerung: Breitbart ist jene rechtspopulistische Website, die Steve Bannon gemacht hat, ehe er erst Wahlkampfleiter, dann Chefstratege von Donald Trump wurde. Wer sich als Amerikaner bei Breitbart über Deutschland informiert, der bekommt dieses Bild: ein Land, überrannt von Horden muslimischer Männer, die deutsche Frauen schänden oder Terror verbreiten wollen. Alle Geschichten, die in dieses - wie man unter Werbeleuten sagt - "Narrativ" passen, werden von Breitbart ausgewalzt. Schuld ist an allem Kanzlerin Angela Merkel.

Und es ist durchaus interessant, wie tief die US-Publikation gelegentlich in die Details der deutschen Innenpolitik einsteigt. Der amerikanische Leser erfährt in der Berichterstattung über den Anschlag in Berlin zum Beispiel, dass Nordrhein-Westfalen einen Innenminister namens Ralf Jäger hat, der ein "umstrittener Linker" ist, bereits die sexuellen Attacken in der Silvesternacht in Köln nicht verhindern konnte und dann auch den Täter von Berlin nicht rechtzeitig stoppte.

Auch Marcus Pretzell wird den Breitbart-Lesern vorgestellt, der " AfD Lawmaker", der schon immer davor gewarnt habe, die Grenzen zu öffnen, und dessen Partei sich als einzige gegen die Immigrantenflut stemme. Eine Prognose: Sollte Breitbart, wie kolportiert wird, im Januar einen deutschen Ableger eröffnen, wird es sehr viele Menschen geben, die so was lesen wollen.

Etliche Schubladen tiefer als Breitbart rangiert die Seite Infowars. Betrieben wird sie von einem, vornehm gesagt, schillernden Menschen namens Alex Jones, der über die Seite auch allen möglichen Kram verkauft, Silbertinkturen etwa, die gesund machen sollen. Infowars verbreitet gern das Narrativ, dass Weiße und Christen in Amerika und der Welt in einer Art Belagerungszustand seien, bedrängt und bedroht von Schwarzen, Braunen, Muslimen und natürlich Linksliberalen. Der "Krieg gegen Weihnachten" ist eine der Lieblingsgeschichten von Infowars. Wenn dumme Jungs irgendwo in der Provinz eine Krippe vor einer Kirche umwerfen, ist das für Alex Jones kein Vandalismus, sondern Terror, oder eben "Krieg".

Und auch Infowars hat so etwas wie eine Deutschland-Berichterstattung, die jedoch kaum differenzierter als Breitbarts ausfällt. Der Tenor: Böse Mainstream-Medien beschimpfen jeden als Fremdenhasser, der Merkels Flüchtlingspolitik zu kritisieren wagt. Das Opfer: die AfD.

Wenn man diesen beiden apokalyptischen Reitern der Publizistik ein bisschen gefolgt ist, ruht man sich gerne aus - bei Fox News. Die waren mal sehr weit rechts, und einige Moderatoren des Sender sind es immer noch. Aber gemessen an den Standards, die in der Branche inzwischen gelten, macht Fox News zumindest im Internet etwas sehr Altmodisches und Wohltuendes: Journalismus.

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