Presseschau:Betrug

Hulverscheidt, Claus

Die amerikanische Presse beschäftigt der VW-Abgasskandal. Fassungslos macht die Kommentatoren, dass es bei dem deutschen Konzern nicht einfach um Schlamperei ging, sondern um Vorsatz. Der Imageschaden ist riesig.

Von Claus Hulverscheidt

Nach mehr als zehn Monaten der Enthüllungen und der Rückschläge hat der VW-Konzern in dieser Woche endlich wieder einen Erfolg verbuchen können: Ein Gericht in San Francisco billigte jenen Vergleich, den der vom Abgas-Skandal gebeutelte Autobauer mit der US-Regierung und den Anwälten der amerikanischen Kunden ausgehandelt hatte. Auch wenn die Absprache Volkswagen bis zu 15 Milliarden Dollar kosten könnte, gilt sie als Erfolg. Ein Prozess nämlich hätte das Unternehmen noch teurer zu stehen kommen können.

Dass ein so gigantischer Betrag nötig war, um Behörden und Autobesitzer zum Einlenken zu bewegen, hat sich VW selbst zuzuschreiben - darüber sind sich die Kommentatoren in den USA praktisch einig. Die Los Angeles Times etwa erinnert daran, dass die Krise anders als frühere Auto-Skandale nicht das Ergebnis von Schlamperei oder technischen Fehlern gewesen sei. Vielmehr habe Volkswagen jene Betrugssoftware, die den viel zu hohen Schadstoffausstoß der Dieselmotoren nach unten regelte, sobald sich ein staatlicher Prüfer dem Fahrzeug näherte, "mit voller Absicht" eingesetzt.

Gleich mehrere Zeitungen verweisen in ihren Kommentaren darauf, dass die VW-Oberen die Betrügereien selbst dann noch bestritten, als die US-Umweltbehörden das Unternehmen längst überführt hatten. Von einer "wahren Frechheit" spricht die Sacramento Bee, von einer "außerordentlichen Dreistigkeit" der verantwortlichen Manager der Lincoln Journal Star. Volkswagen habe den Menschen weisgemacht, dass sie ein besonders umweltfreundliches Auto kaufen, so das Blatt aus Nebraska. "In Wahrheit jedoch blies ein Wagen wie der Golf so viele Stickoxide in die Luft wie ein Sattelschlepper."

Die Los Angeles Times ist deshalb der Auffassung, dass die Sache mit dem jetzt vereinbarten zivilrechtlichen Vergleich noch nicht erledigt ist. "Es waren Menschen, die jene Entscheidungen getroffen haben", so die Zeitung. Die Betroffenen müssten daher nun "auch strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen werden".

Der Skandal hat nach Ansicht der meisten Beobachter das Image von Volkswagen in den Vereinigten Staaten dauerhaft lädiert. Das Providence Journal aus Rhode Island unkt gar, dass die Existenz des Konzerns auf dem Spiel stehen könnte, weil er mit seinem Mix aus Schamlosigkeit und Arroganz das Vertrauen vieler ausländischer Kunden in deutsche Wertarbeit zerstört habe. Den Schaden hätte nicht nur VW zu tragen, sondern der gesamte Wirtschaftsstandort Deutschland: Volkswagen habe lange geglaubt, es reiche aus, einen deutschsprachigen Slogan wie "Das Auto" zu verwenden, um bei Kunden in aller Welt die entsprechenden Assoziationen zu wecken, schreibt das Online-Portal The Daily Beast. "Stattdessen zeigt sich nun, dass deutsche Ingenieurskunst nicht immer so großartig ist - zumindest wenn sie von VW kommt."

Die New York Times schließlich kritisiert, dass die Behörden in Europa viel zu lax gegen Unternehmen vorgingen, die die Umwelt verschmutzten und die Verbraucher schädigten. Statt durchzugreifen, habe die EU-Kommission der Autoindustrie immer wieder lange Übergangsfristen eingeräumt, um überhöhte Abgaswerte auf das eigentlich erlaubte Maß zurückzuführen. "Allein in der EU ist die Luftverschmutzung Schätzungen zufolge jedes Jahr für 430 000 Todesfälle verantwortlich", so das Blatt. Nur hohe Geldstrafen und Entschädigungszahlungen, wie sie jetzt im Fall VW in den USA fällig würden, hätten den notwendigen "abschreckenden Charakter, um vorsätzliche Verstöße gegen Umwelt- und Verbraucherschutzregeln in Zukunft zu verhindern".

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