Pressefreiheit in der Türkei:Opposition moniert "Duckmäusertum" gegenüber Erdoğan

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Mit einem Plakat demonstrierten Kurden Mitte April in Nürnberg für mehr Pressefreiheit in der Türkei. (Foto: dpa)
  • Die zunehmenden Eingriffe der türkischen Regierung in die Pressefreiheit in- und ausländischer Berichterstatter hat zu einem Schlagabtausch im Bundestag geführt.
  • Oppositionspolitiker warfen der Bundesregierung vor, gegenüber Präsident Erdoğan keine klare Haltung einzunehmen.
  • Hintergrund sind wiederholte Abweisungen oder vorübergehende Festsetzungen ausländischer Journalisten durch türkische Behörden.

Von Hanna Spanhel

Die Sorge über die Presse- und Meinungsfreiheit in der Türkei wächst - doch die Appelle der Bundesregierung an den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan sind bislang eher verhalten. Zu verhalten, findet die Opposition im Bundestag. "Ein Land, dass die EU-Mitgliedschaft anstrebt, kann nicht repressiv gegen Journalisten, Wissenschaftlern oder Künstlern sein", sagte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt bei einer Aktuellen Stunde im Bundestag.

Bedenklich seien nicht nur die jüngsten Ausweisungen von ausländischen Reportern, sondern auch die Strafverfahren gegen Wissenschaftler und die versuchte Einflussnahme auf Kunstprojekte. Göring-Eckardt kritisierte die schwarz-rote Bundesregierung scharf: "Die Entwicklung kam nicht über Nacht", sagte sie, aber unternommen habe die Bundesregierung nichts.

Zudem habe Merkel die Chance verpasst, sich bei ihrem jüngsten Türkei-Besuch am Wochenende für Meinungsfreiheit stark zu machen. So habe sie sich nicht mit Oppositionellen getroffen, sagte die Grünen-Fraktionschefin. Dabei müsse die Bundesregierung in Sachen Meinungsfreiheit "hier eine klare Haltung zeigen".

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Bartsch: Erdoğan nutzt Schlüsselstellung aus

Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch warf Europa vor, sich im Zuge des EU-Türkei-Abkommens in der Flüchtlingspolitik erpressbar gemacht zu haben. Erdoğan habe hier eine Schlüsselstellung und nutze diese aus. Presse- und Meinungsfreiheit dürften aber nicht aktuellen politischen Erwägungen zum Opfer fallen, mahnte Bartsch.

Auch er warf Merkel vor, sich bei ihrem Türkei-Besuch nicht nachdrücklich genug für verfolgte Journalisten stark gemacht zu haben. Früher hätten Regierungschefs beim Besuch von "autokratischen Staatschefs" immer Listen von Personen mitgenommen, die aus der Haft entlassen werden müssten.

Die Linke-Abgeordnete Sevim Dagdelen warf der Regierung vor, an Situation in der Türkei mit verantwortlich zu sein. "Die willfährige Haltung der Kanzlerin hat verheerende Konsequenzen", sagte die Politikerin. Dagdelen sprach von "Duckmäusertum" und davon, dass die Bundesregierung "zu Kreuze" krieche. "Erdoğan fühlt sich durch den schmutzigen EU-Türkei-Deal ermutigt, immer härter gegen Kritiker vorzugehen."

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CDU: Kein Einfluss mit erhobenem Zeigefinger

CDU-Parlamentarier kritisierten die Lage in der Türkei, verteidigten aber die Haltung der Kanzlerin. Auch Abgeordnete der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag sähen die Vorkommnisse in der Türkei mit "wachsender Sorge", sagte der Türkei-Experte Andreas Nick (CDU). Die Pressefreiheit in der Türkei liege "am Boden", kontatierte gar die CDU-Abgeordnete Elisabeth Motschmann.

Die Position der Bundesregierung und der Kanzlerin sei in dieser Hinsicht aber klar, sagte Nick. Man wolle als "Freund und Partner" Einfluss auf die Regierung nehmen, und nicht mit dem erhobenen Zeigefinger kommen.

Vorgehen gegen Gegner - die Verfahren mehren sich

Die türkische Regierung geht seit einiger Zeit verstärkt gegen kritische Journalisten im In- und Ausland vor. In der Türkei laufen derzeit etwa 2000 Strafverfahren wegen mutmaßlicher Beleidigung des Präsidenten. Dutzende Journalisten sitzen in haft.

Zudem haben in den vergangenen Wochen Meldungen über Einreiseverbote oder Ausweisungen ausländischer Journalisten zugenommen. Erst vor wenigen Tagen war ein Foto-Reporter an der Grenze abgewiesen worden, der im Auftrag der Bild-Zeitung unterwegs war. Ganz ähnlich erging es zuvor dem ARD-Korrespondenten Volker Schwenck, der für eine Reportage in das türkisch-syrische Grenzgebiet reisen wollte.

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