Premierministerin May:Johnson wird Schlüsselfigur in britischer Regierung

  • Theresa May wird neue Premierministerin Großbritanniens.
  • Sie krempelt das Kabinett um. Brexit-Befürworter Boris Johnson wird unter anderem Außenminister, David Davis eigener Brexit-Minister.
  • Die britische Politik wird trotz dieser Ernennungen künftig stark von Frauen geprägt werden. May wird die Zahl weiblicher Ressortchefs wohl deutlich erhöhen.
  • May ist der 76. britische Premier, nach Margaret Thatcher aber erst die zweite Frau in dem Amt.

Von Björn Finke, London

Die zwei Frauen hatten die besten Plätze. Als Theresa May am Montagnachmittag vor dem Parlament zur Presse sprach, erstmals als Premierministerin in spe, stand hinter ihr ein ganzer Pulk von Unterstützern aus der konservativen Fraktion. Und in der ersten Reihe, zur Rechten und zur Linken von May, schauten Amber Rudd und Justine Greening in die Kameras. Die Nähe zur Regierungschefin dürfte kein Zufall gewesen sein: Rudd erhält im neuen Kabinett eins der wichtigsten Ämter; sie folgt May als Innenministerin nach. Auch Greening wird für einen bedeutenden Posten gehandelt. Andere Frauen können ebenfalls hoffen, denn die Premierministerin wird die Zahl weiblicher Ressortchefs wohl deutlich erhöhen. Noch hat sie nicht alle Posten vergeben.

Mit Johnsons Ernennung will die Partei wieder einen

Doch am meisten Aufsehen erregte am Mittwochabend die Ernennung eines männlichen Ministers: Boris Johnson wird Mays Außenminister. Der frühere Londoner Bürgermeister war das Gesicht der Brexit-Kampagne, er galt nach David Camerons Rücktritt als Favorit auf dessen Nachfolge. Doch dann verzichtete er überraschend auf eine Kandidatur, nachdem ihm sein Mitstreiter Michael Gove, bisher Justizminister, die Unterstützung entzogen hatte. Kritiker warfen Johnson, dem beliebtesten Politiker der Tories, dafür Verantwortungslosigkeit vor. Jetzt gibt May, die für den Verbleib in der EU geworben hatte, eins der wichtigsten Ämter dem Austritts-Befürworter. Damit will sie die tief gespaltene Partei wieder einen.

Einen anderen wichtigen Posten, den des Schatzkanzlers, übernimmt der bisherige Außenminister Philip Hammond. Er löst George Osborne ab, einen engen Vertrauten Camerons. Osborne zog den Zorn des Brexit-Lagers auf sich, weil er vor dem Referendum gewarnt hatte, ein Sieg der Austritts-Kampagne werde der Wirtschaft schwer schaden. May schafft auch einen neuen Posten, den eines Staatssekretärs für den Brexit. Dieses Amt übernimmt der langjährige EU-Gegner David Davis. Er soll sich um die Verhandlungen mit Brüssel kümmern.

Trotz der Ernennung von Johnson, Davis und Hammond wird die britische Politik demnächst so stark von Frauen geprägt sein wie nie zuvor. May ist der 76. britische Premier, nach Margaret Thatcher aber erst die zweite Frau in dem Amt. Trifft sich die 59-Jährige mit den Chefs der Regionalregierungen in Schottland und Nordirland, sind das Gespräche unter Frauen: mit Nicola Sturgeon in Edinburgh und Arlene Foster in Belfast. Und die Konservative Partei in Schottland wird ebenfalls von einer Frau geführt, der 37-jährigen Ruth Davidson, die als vehemente Kämpferin für einen Verbleib in der EU Eindruck machte. Auch bei der Oppositionspartei Labour kandidiert eine Frau, Angela Eagle, für den Vorsitz.

Bereits 2005 hatte May eine Initiative gegründet, um Frauen im Unterhaus zu fördern

Mit Blick auf die Ministerämter sagte eine Sprecherin Mays, die Politikerin "war schon immer der Meinung, dass mehr Frauen wichtige Posten in der Regierung übernehmen sollten". Bereits 2005 hatte May eine Initiative ins Leben gerufen, um mehr Frauen ins Parlament zu bekommen. "Women2Win" hieß die, und die Konservative stand da Tory-Kandidatinnen als Mentorin zur Seite. Pikanterweise gehörte zu ihren Schützlingen Andrea Leadsom, die 2010 Abgeordnete wurde und ursprünglich gegen May bei der Mitgliederwahl eines neuen Premiers antreten wollte.

Im Parlament sind weniger als ein Drittel der Abgeordneten Frauen. Ihr Anteil liegt unter dem im Bundestag - 36,8 Prozent - und dem in Vertretungen vieler anderer Länder. Immerhin erhöhte Premier David Cameron über die Jahre die Zahl weiblicher Minister. Zum Schluss wurden sieben der 22 Ressorts von Frauen geführt. Bei den drei wichtigsten Ministerien, also Finanzen, Innerem und dem Außenministerium, hingegen gab es nur eine Frau: Innenministerin Theresa May.

Nun übernimmt die bisherige Energie-Ministerin Amber Rudd diesen Posten. Die 52-jährige frühere Investmentbankerin und Journalistin wurde 2010 ins Parlament gewählt. Sie setzte sich vor der Volksabstimmung für den Verbleib in der EU ein. Profil gewann sie in einer Fernsehdebatte, in der sie ihren Parteifreund Boris Johnson hart anging. Bei einer Feier bringe er Leben in die Bude, aber er sei nicht derjenige, der einen danach sicher nach Hause fährt, sagte sie. Sprich: Johnson ist kein geeigneter Premier. Rudd überwarf sich mit ihrer Staatssekretärin Leadsom, die für den Austritt kämpfte. Hoffnungen auf ein neues Amt kann sich auch Justine Greening machen, bislang Ministerin für Entwicklungshilfe. Die 47-Jährige ist eine Vertraute Mays und kümmerte sich um deren Kampagne, Premierministerin zu werden. Sie könnte ein Ressort bekommen, das mehr im Licht der Öffentlichkeit steht, etwa Bildung oder Gesundheit. Sie zog 2005 ins Parlament ein. Im Juni machte sie Schlagzeilen, als sie als erste Tory-Ministerin verkündete, lesbisch zu sein. Wie Rudd und May warb sie für den Verbleib in der EU.

Kandidatinnen für Ministerposten

Die anderen vier Ministerinnen in Camerons Kabinett waren Nicky Morgan (Bildung), Elizabeth Truss (Agrar und Umwelt), Theresa Villiers (Nordirland) und Baroness Stowell of Beeston (Chefin des Oberhauses). Villiers ist die Einzige in dem Quartett, die sich für den Brexit einsetzte.

Als neue Kandidatinnen für Ministerposten gelten Karen Bradley, Staatssekretärin in Mays Ministerium, Harriett Baldwin, Staatssekretärin im Finanzministerium, und die Abgeordnete Margot James. Alle drei kämpften gegen einen Brexit. Aus dem Austritts-Lager könnten Andrea Leadsom zum Zuge kommen und Priti Patel, Staatssekretärin für Beschäftigung. May hat die Qual der Wahl.

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