Prantls Blick:Zweifeln schützt vor Fundamentalismus

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Der "ungläubige Thomas" ist eine Schlüsselfigur des Osterfests.

(Foto: dpa)

Das Osterfest lehrt uns auch, zu zweifeln. Der Wert einer Ideologie und einer Religion zeigt sich dann, wenn sie der Prüfung standhalten.

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Den Erfolg von Weihnachten hat Ostern nie gehabt. Das ist kein Wunder: Geburt ist, wie der Tod, eine alltägliche Menschheitserfahrung. Auferstehung bewegt sich außerhalb jedes Erfahrungshorizonts. Es ist das wunderlichste aller Wunder, von denen man in der Bibel liest.

Das vor uns liegende Osterfest ist das älteste Fest der christlichen Geschichte, und es ist das höchste in der liturgischen Rangordnung. Ostern ist aber bei weitem nicht so populär wie Weihnachten; das hat damit zu tun, dass zwar jeder weiß, was eine Geburt ist, dass sich aber kaum einer eine Auferstehung vorstellen kann. Das Neue Testament ist da keine Hilfe. Während dort die Geburt im Stall zu Bethlehem anschaulich und anrührend ausgemalt wird, schweigen sich alle Evangelisten über die Auferstehung des toten Gekreuzigten aus. Diese Auferstehung wird von ihnen nicht beschrieben, sondern nur angekündigt oder als vollzogen vermeldet; faktisch bleibt sie unsichtbar.

Man tut sich schwer mit der Auferstehung

In Szene gesetzt haben die Auferstehung erst die großen Maler der Renaissance und des Barock - Grünewald, Dürer, Raffael und Rembrandt. Christus als Held, Christus als Sieger; er ist von schwerem Kampf zurückgekehrt und hebt an zum Aufstieg in den Himmel. Es sind die Bilder zu dem Luther-Hymnus: "Es war ein wunderlicher Krieg, da Tod und Leben rungen; das Leben behielt den Sieg, es hat den Tod verschlungen." Aber ein vorstellbares Osterbild ergibt sich daraus heute nicht mehr. Man tut sich schwer mit der Auferstehung. Auch für viele Gläubige ist das Oster-Mysterium zu einem sehr verblassten Mythos geworden. Und daher beherrschen die Lämmer, Hasen und gefärbten Eier die österliche Szenerie.

Im Zentrum des Glaubensbekenntnisses, das in den christlichen Kirchen gesprochen wird, steht der Satz von der Auferstehung: "Ich glaube an die Auferstehung der Toten und das ewige Leben." Wenn man den Satz wirklich ernst nimmt, dann dürfte es noch sehr viel weniger Gläubige als Kirchgänger geben. Viele Christen, wenn sie ganz ehrlich wären, müssten wohl eher sagen: "Ich zweifle an der Auferstehung der Toten und am ewigen Leben." Manche würden wohl auch gerne sagen, dass sie den Gedanken schön finden - aber das sie Schwierigkeiten hätten, an diesen Gedanken zu glauben. Was bedeutet es, wenn ein Satz, der das Zentrum des christlichen Glaubens darstellt, so angenagt ist? Hilft es, wenn man sich an Osten mit schöner Rhetorik tröstet: Ich glaube, weil es unglaublich ist! Der kluge Theologe Fulbert Steffensky hat Auferstehung einmal mit dem Satz beschrieben: Auferstehung feiern bedeute, dass der Tod nicht das letzte Wort habe. Und dann hat er angefügt: "Was das bedeutet, weiß ich nicht." Das erste ist tröstlich, das zweite nicht.

Ostern ist, wenn einem die Augen aufgehen

Zu den klassisch-biblischen Ostergeschichten gehört die Geschichte, wie sich der auferstandene Jesus zu seinen Jüngern gesellt, die ihn erst einmal nicht erkennen und sich mit ihm über seine Kreuzigung unterhalten. Erst beim gemeinsamen Abendessen im Ort Emmaus gehen ihnen dann, wie es im Evangelium heißt, "die Augen auf". Das ist für mich ein schönes Osterbild: dass einem die Augen aufgehen.

Was in der Weihnachtsgeschichte der Josef ist, der angeblich nur einigermaßen überflüssig herumsteht (was aber genau besehen nicht stimmt), ist in der Ostergeschichte der Thomas. Er hat bei den Bibelkennern einen zweiten Vornamen: Er heißt immer der "ungläubige Thomas", weil dieser Thomas an die Auferstehung des gekreuzigten Jesus zunächst nicht glauben kann. Deswegen hat er einen ziemlich angekratzten Ruf. Diesem Thomas geht das, was ihm seine Freunde erzählen, zu schnell und zu glatt. Thomas sagt, er könne nicht an die Auferstehung ihres Meisters glauben, bevor er nicht den Finger in die Wunde legen kann - in die tödliche Wunde des nun angeblich Auferstandenen. Dieser Thomas will also buchstäblich begreifen, er will mit den Händen spüren, dass da derjenige vor ihm steht, den er zuvor hat sterben sehen. Er besteht auf Augenschein, auf Autopsie als Bedingung seines Glaubens.

Zweifeln schützt vor Fundamentalismus

Das wird von manchen Glaubens- und Ideologie-Funktionären, das wird von fundamentalistisch-islamistischen Agitatoren als Schwäche bewertet. Leute, die fragen und zweifeln, passen ihnen nicht ins Konzept. Man hält die Leute, die zweifeln und den Finger in die Wunden legen wollen, für Störer. Man soll nicht, sagen die Gegner des Zweifels, den Finger in die Wunde legen. Das stimmt aber nicht. Der Wert einer Religion und einer Ideologie zeigt sich gerade darin, dass und wenn sie der Prüfung standhalten. Wenn die Taten und Werke nichts taugen, dann stimmt etwas mit der Lehre nicht, auch wenn sie noch so schön daherkommt. Also: Eine Religion, die sich als Friedensbotschaft bezeichnet, deren Gläubige aber zum Hass aufrufen, ist unglaubwürdig. Eine Kirche, die Nächstenliebe predigt, ist überflüssig, wenn man diese Nächstenliebe im Alltag nicht spürt.

Der Zweifel ist gut. Es ist gut, den Finger in die Wunde zu legen. Auch die schönste Idee braucht den Zweifel. Das gehört zur Osterbotschaft. Das schützt vor dem Fundamentalismus.

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