Prag:Populisten gegen Europa

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Bei einem Treffen in der tschechischen Hauptstadt haben Rechtspopulisten ein Ende der EU gefordert. Frankreichs FN-Chefin Le Pen nannte die Regierungs­beteiligung der FPÖ in Wien "eine sehr gute Nachricht".

Rechtspopulisten aus ganz Europa haben bei einem Treffen in der tschechischen Hauptstadt Prag ein Ende der Europäischen Union in ihrer jetzigen Form gefordert. An dem Kongress der EU-Parlamentsfraktion Europa der Nationen und der Freiheit (ENF) nahmen am Samstag unter anderem der Niederländer Geert Wilders und die Französin Marine Le Pen teil. "Brüssel ist eine existenzielle Gefahr für unsere Nationalstaaten", kritisierte Wilders. Le Pen sprach von einer "desaströsen Organisation". Die Kongressteilnehmer sprachen sich klar gegen Zuwanderung aus. "Ich hoffe, dass die Tschechen ihre Türen vor der Massenzuwanderung fest geschlossen halten", sagte Wilders und lobte die Haltung der östlichen EU-Staaten. Die EU-Kommission klagt gegen Tschechien, Ungarn und Polen, weil sie die EU-Flüchtlingsquoten nicht umsetzen. Gastgeber Tomio Okamura von der tschechischen Partei Freiheit und direkte Demokratie (SPD) sagte, es drohe eine "muslimische Kolonisation Europas".

Marine Le Pen nennt Regierungsbeteiligung der FPÖ eine "sehr gute Nachricht"

Mehrere Hundert Menschen folgten einem Aufruf linker Gruppen zu Gegendemonstrationen. Sie riefen vor dem Tagungshotel lautstark "Schande" und hielten Spruchbänder hoch wie "Soziale Gerechtigkeit statt Rassismus, Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit". Die Polizei hatte sich mit starken Sicherheitsmaßnahmen auf das Treffen vorbereitet und setzte auch einen Hubschrauber ein.

Die französische Front-National-Chefin Le Pen begrüßte die Regierungsbeteiligung der rechten FPÖ in Österreich als eine "sehr gute Nachricht für Europa". Wilders nannte es wunderbar, dass das Mitglied der ENF-Fraktion in Österreich ernst genommen werde. Anders als im Januar in Koblenz war die deutsche AfD diesmal nicht bei dem Treffen vertreten. ENF-Mitglied Marcus Pretzell war nach der Bundestagswahl zur Blauen Partei gewechselt und damit seiner Frau Frauke Petry gefolgt. Im EU-Parlament konnte die kleinste Fraktion bisher kaum etwas bewegen.

Die Wahl Prags als Tagungsort dürfte kein Zufall sein: In Tschechien rechnen die EU-Gegner offensichtlich mit einem größeren Zustimmungspotenzial für ihre radikalen Ansichten. Gastgeber Okamura hatte mit seiner rechten Partei bei der Parlamentswahl Ende Oktober 22 der 200 Abgeordnetenmandate erhalten - mit einem harten Kurs gegen Flüchtlinge und den Islam. In einer Eurobarometer-Umfrage hielten nur 33 Prozent der Tschechen die Mitgliedschaft in der EU für positiv. Das war der niedrigste Wert unter allen 28 Mitgliedstaaten. Okamura punktete mit Slogans wie "Nein zum Islam, nein zu den Terroristen" in Tschechien. Obwohl der Politiker eine "Null-Toleranz-Politik gegen die illegale Migration und den Islam" fordert, hat er selbst einen Migrationshintergrund. Er wurde als Sohn einer tschechischen Mutter und eines japanischen Vaters in Tokio geboren. Ausgezeichnet versteht sich Okamura mit dem tschechischen Präsidenten Miloš Zeman, der selbst immer weiter nach rechts rückt. Auch bei der Duldung der neuen Minderheitsregierung des Populisten Andrej Babis in Prag könnte die SPD zum Zünglein an der Waage werden. Kritiker werfen Okamura Rassismus vor. So rief er die Angehörigen der seit Jahrhunderten in Tschechien lebenden Roma-Minderheit einmal öffentlich auf, nach Indien auszuwandern.

© SZ vom 18.12.2017 / dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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