Präsidentschaftswahlkampf in Frankreich:Sarkozy gibt den Rechtsaußen

Für seine neuerliche Präsidentschaftskandidatur vollzieht Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy einen Rechtsschwenk - und kündigt Volksabstimmungen für ein schärferes Arbeitslosen- und Ausländerrecht an. Doch das Stimmenfischen am rechten Rand ist riskant, denn Sarkozy gibt damit die Mitte frei. Und dort lauert bereits ein Liberaler.

Stefan Ulrich, Paris

Jetzt wird es ernst in Frankreich. Nicolas Sarkozy eröffnet offiziell die Feindseligkeiten. Eigentlich wollte der amtierende Staatschef seine neuerliche Präsidentschaftskandidatur erst Anfang März mitteilen, um sich möglichst lang als überparteilicher Landesvater darstellen zu können, der Frankreich durch die Euro-Krise steuert.

Präsidentschaftswahlkampf in Frankreich: Neue Volksnähe: Im Präsidentschaftswahlkampf entdeckt Nicolas Sarkozy die Stimme des französischen Wahlvolks.

Neue Volksnähe: Im Präsidentschaftswahlkampf entdeckt Nicolas Sarkozy die Stimme des französischen Wahlvolks.

(Foto: AP)

Seine schlechten Umfragewerte bringen ihn aber zu einer doppelten Kurskorrektur. Sarkozy strafft seinen Zeitplan und schwenkt inhaltlich klar nach rechts. Wie in Paris verlautet, will der 57 Jahre alte Gaullist schon diese Woche seine Kandidatur verkünden, womöglich im Rahmen eines Fernsehauftritts. Unmittelbar danach dürfte er sich in den Wahlkampf stürzen.

Seine Partei UMP organisiert eine Großkundgebung für das kommende Wochenende in Marseille. Sarkozy gilt als harter, ja begnadeter Wahlkämpfer. Daher ist nicht auszuschließen, dass er seinen immensen Umfrage-Rückstand gegenüber seinem Hauptkonkurrenten, dem Sozialisten François Hollande, noch aufholt.

In einem langen Interview, welches das Magazin des Figaro am Samstag veröffentlichte, stellte Sarkozy schon einmal klar, wo er zu attackieren gedenkt. Der Schwerpunkt liegt nicht mehr, wie in den vergangenen Monaten, bei Wirtschaft, Finanzen und Euro-Rettung, sondern bei "Meinen Werten für Frankreich", wie die Schlagzeile des Magazins lautet. Diese Werte seien "Arbeit, Verantwortlichkeit, Autorität", führt Sarkozy in dem Interview aus.

Sarkozy will sich ans Volk wenden

Der Staatschef streift einige klassische Themen der Rechten - Nein zur Sterbehilfe, Nein zur Homo-Ehe, Nein zum Ausländer-Kommunalwahlrecht. Vor allem verblüfft er Freund und Feind mit einer Ankündigung: Ausgerechnet dieser Präsident, der in seiner fünfjährigen Amtszeit keinen einzigen Volksentscheid abhalten ließ, verspricht für den Fall seiner Wiederwahl Referenden zu zwei sensiblen Themen.

Per Votum populi will er das Arbeitslosen- und das Ausländerrecht verschärfen. So sollen Arbeitslose gezwungen werden, sich fortzubilden und dann den ersten angebotenen Job zu akzeptieren. Illegal im Land lebende Ausländer sollen einfacher abgeschoben werden. "Ich glaube, die beste Art und Weise, die Blockaden unserer Gesellschaft zu überwinden, besteht darin, sich direkt ans Volk zu wenden", sagt Sarkozy.

Sarkozy provoziert, rechts wie links

Falls der Präsident damit provozieren wollte, ist ihm das gelungen. Der rechtsextreme Front National, der seit langem mehr Volksentscheide fordert, klagt, Sarkozy wildere auf seinem Terrain und mache sich einer "vulgären Fälschung" des Front-National-Programms schuldig.

Die Sozialisten kritisieren, der Staatschef wiegle die Wähler gegen Arbeitslose und Ausländer auf und plane einen ultrakonservativen Wahlkampf wie der Amerikaner George W. Bush im Jahr 2004. Auch Politiker des Zentrums sind empört über den Vorstoß, den sie für populistisch halten.

Sarkozy wird sich über das Echo freuen. Ihm geht es darum, bis zum ersten Wahlgang am 22. April das konservative und rechtsnationale Wählerlager hinter sich zu versammeln, um möglichst gleichauf mit Hollande in die Stichwahl am 6. Mai zu ziehen. Dabei könnte ihm helfen, dass Marine Le Pen, die Kandidatin des Front National, womöglich vorab aus dem Rennen fällt.

Nach französischem Recht muss jeder Präsidentschaftskandidat mindestens 500 öffentliche Unterstützungserklärungen gewählter Volksvertreter vorlegen. Dies können Abgeordnete, Bürgermeister oder Mitglieder der Départements-Parlamente sein. Le Pen hat Mühe, diese Erklärungen beizubringen, obwohl ihr die Meinungsumfragen bis zu 20 Prozent der Wählerstimmen geben. Fällt sie aus, kann Sarkozy ihre Anhänger einsammeln.

Allerdings ist diese Strategie riskant. Durch seinen Rechtsruck gibt der Gaullist Platz in der Mitte preis. Dort lauert François Bayrou auf seine Chance, der Kandidat des christlichen und liberalen Zentrums. Der Mann aus den Pyrenäen, ein gewitzter Rhetoriker, der Sarkozy einmal als "barbarisches Kind" bezeichnete, sagte am Wochenende, die Referendumspläne seien schockierend.

"Er (Sarkozy) schlägt uns vor, die humanistischen Werte Frankreichs zu verneinen." Der Staatschef präsentiere dem krisengeschüttelten Land die Arbeitslosen und die Ausländer als die angeblich Verantwortlichen für die Misere. Dabei habe ein Präsident die Pflicht, "das Volk zu einen und nicht zu spalten".

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