Präsidentschaftswahlkampf in den USA:Barack für Obama

Barack Obama, Hillary Clinton

"Stronger together", stärker zusammen: Clintons Wahlkampfspruch gilt vor allem auch für den Amtsinhaber und die Präsidentschaftskandidatin selbst, wenn Amerikas Politik auch in Zukunft von den Demokraten geprägt sein soll.

(Foto: AP)

Der amerikanische Präsident mischt sich stärker in den Wahlkampf um seine Nachfolge ein. Nicht nur, weil er seiner schwächelnden Parteifreundin Hillary Clinton helfen will.

Von Hubert Wetzel, Washington

In den USA ist es üblich, dass der scheidende Präsident dem Kandidaten seiner Partei ein bisschen im Wahlkampf hilft. Den Staatschef der Vereinigten Staaten umgibt immer eine einzigartige Aura der Macht, wenn er in der blau-weißen Air Force One einfliegt, legen die Leute eben doch noch mal 10 000 Dollar drauf, um bei einer Spendenveranstaltung dabei sein zu dürfen. Insofern ist es normal, dass der demokratische Präsident Barack Obama derzeit Wahlkampf für die demokratische Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton macht.

Ungewöhnlich ist dagegen, dass Barack Obama derzeit auch Wahlkampf für Barack Obama macht. Die US-Verfassung verbietet ihm zwar eine dritte Amtszeit, doch auf dem Spiel steht alles, was er in den vergangenen acht Jahren erreicht hat. Wenn Clinton die Wahl verliert und der Republikaner Donald Trump Präsident wird, würde der vermutlich viele Entscheidungen in der Umwelt-, Sozial-, Außen- und Gesundheitspolitik revidieren, die Obama als wichtige Bestandteile seines politischen Erbes sieht. "Mein Name steht vielleicht nicht auf dem Wahlzettel", sagte Barack Obama vor einigen Tagen bei einer Veranstaltung. "Aber unser Fortschritt steht auf dem Wahlzettel."

Nach ein, zwei Jahren Trump könnte von acht Jahren Obama nicht mehr viel übrig sein

Anlass zur Sorge gibt es durchaus. Für Clinton sieht es derzeit nicht gut aus, ihr Stratosphärenflug in den Umfragen im Sommer ist vorbei, ihr Schwächeanfall bei einer Veranstaltung in New York am 11. September löste einen regelrechten Einbruch aus. Landesweit liegt sie nur noch sehr knapp vor Trump, in wichtigen Bundesstaaten ist der Republikaner sogar in Führung gegangen. Wahlforscher geben immer noch der Demokratin höhere Chancen, die Wahl zu gewinnen. Aber es steht im Moment eher 52 zu 48 für sie, nicht mehr 90 zu 10 wie noch im August. Und davon, dass die Demokraten auch den Senat oder gar das Abgeordnetenhaus zurückerobern könnten, ist keine Rede mehr.

Für Obama ist das eine erschreckende Aussicht. Ein republikanischer Präsident, ein republikanischer Kongress - damit hätten seine Gegner tatsächlich die Möglichkeit, etwa seine Gesundheitsreform rückgängig zu machen. Sie könnten - und würden gerne - seine Bemühungen um mehr Klimaschutz stoppen, ebenso die Förderung von sauberer Energie. Obamas gesamte Annäherungspolitik gegenüber Iran und Kuba stünde plötzlich infrage. Gleiches gälte für seine Versuche, illegalen Einwanderern, die lange in den USA gelebt haben, eine Bleibemöglichkeit zu geben. Nach ein, zwei Jahren Trump könnte von den acht Jahren Obama schließlich nicht mehr viel übrig sein.

Wahlsiege werden in den USA dadurch errungen, dass ein Kandidat eine Koalition von Wählergruppen zusammenspannt, die ihm am Wahltag eine Stimmenmehrheit bringen. Die legendäre "Obama-Koalition", die ihm zwei deutliche Wahlsiege beschert hat, bestand grob gesagt aus jungen Wählern, gebildeten Frauen und Minderheiten. Das Kunststück besteht nun darin, diese Koalition an Clinton weiterzureichen - und die früheren Obama-Wähler so für Clinton zu begeistern, dass diese im November auch tatsächlich wählen gehen.

Obama ist gut positioniert für diese Stabübergabe. Seine Beliebtheitswerte liegen höher als 50 Prozent - nicht selbstverständlich für einen scheidenden Präsidenten. Bei Schwarzen, Latinos und jungen "Millennials" sind sie sogar noch deutlich höher. Zudem geht es der Wirtschaft gut. Und er hat eine Geheimwaffe: seine Frau Michelle Obama, die sehr effektiv Wahlkampf für Clinton macht.

Dennoch hakt es. Eine Analyse des Senders NBC kam Mitte September zu dem Schluss, dass Clintons Rückhalt bei zwei entscheidenden Gruppen - junge Menschen und Latinos - deutlich schwächer ist als seinerzeit bei Obama. Clinton löst bei diesen Wählern schlicht und einfach nicht den gleichen Enthusiasmus aus wie der Präsident. Diese "Begeisterungslücke" könnte die Demokratin im November den Sieg in wichtigen Bundesstaaten kosten.

Deswegen gibt Obama sein politisches Kapital derzeit für Clinton aus. Vieles, was er derzeit öffentlich sagt, ist direkt oder indirekt Wahlwerbung für seine frühere Außenministerin. Selbst seine Rede vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen am Montag nutze Obama, in dem er Trump heftig kritisierte, ohne ihn freilich beim Namen zu nennen. "In der heutigen Zeit würde sich eine Nation, die sich mit Mauern umgibt, nur selbst einkerkern", sagte Obama - ein Hieb gegen den Republikaner, der eine Mauer an der Grenze zu Mexiko bauen will. Dann setzte er noch einen drauf, indem er Trump in die Nähe von Autokraten wie den russischen Präsidenten Wladimir Putin rückte. "Wie es scheint, gibt es einen wachsenden Konflikt zwischen Autoritarismus und Liberalismus. Und alle sollen wissen, dass ich in diesem Konflikt nicht neutral bin."

In den Tagen zuvor war Obama bereits gezielt in jene Gegenden gereist, in denen viele Wähler aus seiner alten Koalition leben, um ihnen ins Gewissen zu reden. So trat er zum Beispiel in Philadelphia auf. In der Stadt wohnen viele junge Leute und Minderheiten, zugleich ist Pennsylvania einer der wichtigsten Bundesstaaten, die Clinton gewinnen muss.

Geradezu emotional wurde Obama vor einigen Tagen bei einer Veranstaltung der schwarzen Kongressabgeordneten. "Es geht um mich", beschwor er die Gäste. Sollten Amerikas Schwarze im November nicht genauso begeistert und zahlreich für Clinton stimmen, wie sie 2008 und 2012 für ihn gestimmt hätten, würde er darin eine "persönliche Beleidigung" sehen.

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