Präsidentschaftswahl:Proteste in Frankreich gegen beide Kandidaten

Sie fühlen sich weder von Macron noch Le Pen vertreten: Hunderte Schüler und Studenten sind in Frankreich auf die Straße gegangen, um ihren Unmut über die Präsidentschaftswahl zu äußern.

Von Christian Wernicke, Paris

Hunderte Schüler und Studenten haben am Donnerstag in Paris und mehreren Provinzstädten Frankreichs gegen die beiden verbliebenen Präsidentschaftskandidaten Marine Le Pen und Emmanuel Macron protestiert. Die zum Teil vermummten Demonstranten nannten den Stichentscheid Wahl zwischen der Rechtspopulistin vom Front National und dem sozialliberalen Pro-Europäer auf Plakaten "eine Wahl zwischen Pest und Cholera". Sie skandierten "ni Le Pen, ni Macron" oder "ni patrie, ni patron" ("weder Vaterland noch Boss"). Bei Ausschreitungen setzte die Polizei Tränengas gegen die meist linken Aktivisten ein.

Die Demonstranten halten Macron seine Vergangenheit als Banker und seine Reformpläne vor, die etwa eine weitere Liberalisierung des Arbeitsrechts und eine vertiefte EU-Integration vorsehen. Aus demselben Grund hat es Jean-Luc Mélenchon, der Kandidat der radikalen Linken, bisher abgelehnt, eine Wahlempfehlung für den 39-jährigen Ex-Minister von Amtsinhaber Francois Hollande auszusprechen. Mélenchon will bis nächste Woche die 450 000 Mitglieder seiner Bewegung der "Unbeugsamen" (La France insoumise) befragen. Allerdings schließt seine Partei es kategorisch aus, zur Wahl der FN-Chefin aufzurufen. Marine Le Pen wirbt seit dem ersten Wahlgang offen um die Stimmen der Linken. So hat sie etwa den von Mélenchon häufig benutzten Begriff der "Oligarchien" übernommen, die "die arbeitenden Klassen" missachten würden. Beide, Mélenchon wie Le Pen, hatten Pläne für einen Austritt aus EU und Euro propagiert.

Der FN-Experte Jean-Yves Camus kritisierten Mélenchons Zögern als "einen moralischen wie politischen Fehler". Der Politologe erinnerte daran, dass Mélenchon noch 2002 - vor der Stichwahl zwischen dem Konservativen Jacques Chirac und FN-Gründer Jean-Marie Le Pen - für die Wahl Chiracs geworben habe. Vor 15 Jahren waren Hundertausende Franzosen gegen Le Pen und den Front National auf die Straße gegangen.

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