Präsidentschaftswahl in Frankreich:Getrennt leben, gemeinsam kämpfen

"Meine Situation ist weder gewöhnlich noch banal": Ausgerechnet Ségolène Royal macht für François Hollande Wahlkampf - die beiden waren einst ein Paar und haben vier gemeinsame Kinder. Der Grund für Royales Unterstützung ist allerdings nicht völlig selbstlos.

Stefan Ulrich, Paris

Sie hat die delikateste Rolle in diesem Wahlkampf. Vielleicht auch die undankbarste. Vor fünf Jahren hätte Ségolène Royal beinahe den Élysée-Palast erobert. Nun muss sie einem Parteifreund helfen, den Traum zu verwirklichen, der eigentlich der ihre war. Dieser Mann ist nicht irgendein "Kamerad" - wie sich die französischen Sozialisten untereinander nennen -, sondern François Hollande, mit dem Royal drei Jahrzehnte zusammenlebte und vier Kinder hat.

Hollande, Socialist Party candidate for the 2012 French presidential election, arrives with Segolene Royal in Rennes

"Die Bilanz dieses Paares war mit vier Kindern und zwei Präsidentschaftskandidaten nicht so schlecht": Ségolène Royal und François Hollande.

(Foto: REUTERS)

"Meine Situation ist weder gewöhnlich noch banal", sagt die 58 Jahre alte Politikerin. "Ich würde lieber für mich selbst Wahlkampf machen." Stattdessen kämpft Madame Royal seit Monaten für Hollande, obwohl dieser ihr im Wahlkampf vor fünf Jahren nur eher halbherzig geholfen hatte. Hollande war damals Parteichef und offiziell noch mit Royal zusammen, obwohl er bereits eine Liaison mit der Journalistin Valérie Trierweiler hatte. Viele sagen, wenn die Partei Royal 2007 besser unterstützt hätte, wäre sie Präsidentin geworden. So aber unterlag sie gegen Nicolas Sarkozy.

Die charismatische Royal, die in ihren besten Momenten wie eine raffaelische Madonna aussieht, hatte damals eine Präsidentschaftskampagne geführt, die die französische Linke euphorisierte. Ihr gelang es, auch die Menschen in den verarmten und desillusionierten Banlieues anzusprechen. Viele Parteifreunde hielten sie jedoch für egozentrisch, unkontrollierbar und intellektuell leichtgewichtig. So begann nach der Niederlage gegen Sarkozy ihr grausamer Abstieg.

2008 bewarb sich Royal um den Vorsitz der Sozialisten und verlor unter dubiosen Umständen knapp gegen Martine Aubry. Manche sagen, man habe Royal den Sieg gestohlen. Die mehrfache Ex-Ministerin und heutige Präsidentin der Region Poitou-Charentes ließ sich nicht entmutigen und trat 2011 bei der Vorwahl der Sozialisten um die Präsidentschaftskandidatur an. Im Oktober erlebte sie dann ihre düsterste politische Stunde. Sie erhielt bei der Vorwahl nur sieben Prozent. Sieger wurde Hollande.

Sie ging für ihn von Haustür zu Haustür

An jenem Oktoberabend weinte Royal vor den Kameras. Doch statt sich schmollend zurückzuziehen, stürzte sie sich für Hollande in den Wahlkampf. Sie ging für ihn von Haustür zu Haustür, warb auf Großveranstaltungen, im Radio und im Fernsehen. Gedankt wurde es ihr bisher kaum. In einem Wahlvideo Hollandes, das die großen Momente der Geschichte der Sozialisten zeigt, wurde sie mit keinem Wort erwähnt. Das hat sie verletzt: "Mir wird nichts erspart."

Dabei ist für Hollande die Hilfe seiner Ex-Gefährtin wertvoll. Sie bringt mit ihrer strahlenden Art Begeisterung in diese eher nüchterne Kampagne. Und sie schaffte Wählerstimmen aus den Banlieues herbei, die sonst womöglich auch noch an die rechtsextreme Marine Le Pen gegangen wären. Anfang April traten Royal und Hollande gemeinsam im bretonischen Rennes auf, während unter den Zuschauern Hollandes heutige Lebensgefährtin Trierweiler saß. Madame Royal rief tapfer in die Menge: "Ich überreiche die Fackel an denjenigen, der den Sieg davontragen kann." Alle sollten sich hinter "François" scharen. "Ségolène Loyale" wird sie bereits genannt.

Natürlich ist ihr Einsatz nicht ganz selbstlos. "Désirs d'avenir", Zukunftswünsche, hat sie ihr politisches Netzwerk genannt. Ein hohes Amt im Staat möchte sie bekommen. Wenn sie 2007 Präsidentin geworden wäre, hätte auch Hollande einen Platz in ihrer Regierung gehabt, sagt Royal. Sie selbst möchte jedoch nicht unter Hollande Ministerin werden. Vielmehr hofft sie, nach der Wahl der Nationalversammlung im Juni Parlamentspräsidentin zu werden. Sie könne ihr Leben mit Hollande nicht verleugnen, hat Royal gesagt. "Die Bilanz dieses Paares war mit vier Kindern und zwei Präsidentschaftskandidaturen nicht so schlecht." Nun, da die beiden getrennt leben, aber gemeinsam kämpfen, könnte die Bilanz noch besser werden.

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