Präsidentschaftswahl in Frankreich:Auslandsfranzosen geben Hollande den Vorzug

Die Franzosen entscheiden, wer ihr neuer Präsident wird. Viel spricht für den Sozialisten François Hollande. Doch kann man den Umfragen wirklich trauen? Inzwischen gibt es erste Nachwahlumfragen und ausgezählte Stimmen von den Auslandsfranzosen. Demnach dürfte Amtsinhaber Nicolas Sarkozy heute Abend nicht viel zu lachen haben.

Lilith Volkert, Paris

Die Frage, wie es am Montag mit Frankreich weitergehen wird, stellt sich sogar vor dem Kühlregal: Mit altem Käse oder weichem Zuckerzeug? Ein Supermarkt in der bretonischen Stadt Vannes hat in einer Kühltruhe die Qual der Wahl verdeutlicht, vor der 44,5 Millionen wahlberechtigte Franzosen an diesem Sonntag stehen.

Wählen sie den gut abgehangenen, aber schon leicht ranzigen Camembert der Marke "Président" (also den Amtsinhaber Nicolas Sarkozy)? Oder entscheiden sie sich für den in quietsch-bunten Pappschachteln angebotenen Karamellpudding namens "Flanby" (wie früher der wenig schmeichelhafte Spitzname des Sozialisten François Hollande lautete)?

Umfragen zufolge werden sich die meisten Franzosen für die Süßigkeit entscheiden, allzu sicher sein kann man sich angesichts der vielen Unentschlossenen aber nicht. Etwa sieben Millionen Franzosen wussten bis zuletzt nicht, wen sie wählen sollen. Laut Pascal Perrineau vom Centre de recherches politiques an der Pariser Universität Sciences Po steigt diese Zahl seit Jahren an. Damit wird das Wählerverhalten für Meinungsforscher entsprechend unberechenbar.

In ersten Umfragen an den Wahlurnen am Sonntag liegt Hollande mit fünf bis sechs Punkten vor dem Amtsinhaber. Der öffentliche belgische Rundfunk RTBF veröffentlichte am frühen Nachmittag auf seiner Internetseite Ergebnisse von Nachwahlbefragungen von zwei Instituten. Demnach lag Hollande mit 52,5 beziehungsweise 53 Prozent klar vor Sarkozy mit 47,5 beziehungsweise 47 Prozent. Allerdings sind diese ersten Erhebungen noch wenig verlässlich: Die Wahlbüros haben in den französischen Metropolen noch bis 20 Uhr geöffnet.

Allerdings bekam Hollande RTBF zufolge auch bei vielen Auslandsfranzosen in Nord- und Südamerika mehr Stimmen als die sozialistische Kandidaten Ségolène Royal 2007. Den Angaben zufolge gewann er in Toronto (51 Prozent), in Peru (55), in Argentinien (51,7), in Kolumbien (58,82) und in Honduras (56) gegen den konservativen Amtsinhaber Nicolas Sarkozy. Auf der zweiten Position landete er in Mexiko (47,3), in Brasilien (47), in Costa Rica (44,1) und in Chile (44), doch auch hier legte er gegenüber Royal jeweils um vier bis fünf Prozentpunkte zu. Rückgänge gegenüber 2007 verzeichnete Hollande nur in Venezuela (28) und El Salvador (30 Prozent). In all diesen Länder war bereits am Samstag gewählt worden.

Die Empfehlungen der ausgeschiedenen Kandidaten

Entscheidend, aber ebenfalls kaum in Zahlen zu fassen, dürfte das Verhalten der Anhänger jener Kandidaten sein, die im ersten Wahlgang ausgeschieden sind. Mit Blick auf die Wähler der Rechtsextremen Marine Le Pen, die als Parteichefin des Front National (FN) in der ersten Runde auf fast 18 Prozent gekommen war, hatte Sarkozy in der Schlussphase seines Wahlkampfs stark auf die nationale Karte gesetzt. Le Pen hat allerdings keine Wahlempfehlung für Sarkozy abgegeben, sie riet ihren Anhängern dazu, den Wahlzettel ungültig zu machen.

Der Zentrumskandidat François Bayrou, für den 9,1 Prozent gestimmt hatten, sagte, er "als Privatmann" werde für Hollande stimmen. Der linksextreme Jean-Luc Mélenchon (11,7 Prozent) hat seine Anhänger auch offiziell zur Wahl des Sozialisten aufgerufen. Im ersten Wahlgang Ende am 22. April hatte Hollande nur eine halbe Million Stimmen mehr bekommen als Sarkozy.

Inzwischen zeichnet sich eine rege Beteiligung an der Stichwahl ab. Bis Sonntagmittag gaben bereits 30,7 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab, teilte das Innenministerium mit. Bei der ersten Runde der Präsidentenwahlen im April waren es zum selben Zeitpunkt 28,3 Prozent gewesen.

Die beiden Kandidaten gaben am Vormittag ihre Stimme ab, Hollande im beschaulichen Tulle, dem Zentrum seines Wahlkreises Corrèze. Er will auch den Rest des Tages in der Stadt bleiben, deren Bürgermeister er von 2001 bis 2008 war, und wird wohl erst nachts nach Paris zurückkehren.

Sarkozy sorgte im 16. Arrondissement in Paris für einen großen Menschenauflauf. Umringt von Journalisten und Anhängern gab er unter "Sarkozy, président"-Rufen seine Stimme ab. Seine Frau Carla Bruni-Sarkozy, deren Wohnung in der Nähe liegt, begleitete ihn. Am Nachmittag wird der Amtsinhaber in sein Büro im Elysée-Palast zurückkehren, wo er mit seinen Beratern auf die Ergebnisse warten will.

Böse Zungen behaupten, dass seine Mitarbeiter schon mit dem Gedanken spielen, ihre Kartons zu packen.

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