Präsidentschaftswahl in den USA:Fünf Herausforderungen für Mitt Romney

Der Republikaner Mitt Romney hat weitere Vorwahlen gewonnen und zementiert damit seinen Status als Gegenkandidat von Barack Obama. Doch der Weg ins Weiße Haus ist lang und steinig. Diese Herausforderungen muss er nun meistern.

Matthias Kolb, Washington

Die Botschaft war klar und stand in großen Buchstaben auf dem Pult, an dem Mitt Romney seine Siegesrede hielt: "A better America begins tonight". Kurz zuvor hatten die Nachrichtensender vermeldet, dass der frühere Gouverneur von Massachusetts die fünf Vorwahlen in Pennsylvania, New York, Delaware, Rhode Island und Connecticut mit großem Abstand gewonnen hatte.

Der 65-Jährige trat in New Hampshire auf, jenem Staat, in dem er im Juni 2011 seine Kandidatur bekanntgegeben hatte. Er gab sich präsidiabel, attackierte Amtsinhaber Barack Obama wegen dessen Wirtschaftspolitik und sprach über den Stolz, Amerikaner zu sein. Romney versprach, die USA wieder zu alter Stärke zu führen und für Jobs zu sorgen.

Doch um die Wahl am 6. November gegen Obama gewinnen zu können, muss der Republikaner noch viele Herausforderungen bewältigen. Diese fünf Probleme werden Mitt Romney und seine Strategen im kommenden halben Jahr besonders beschäftigen.

Er muss in die Mitte rücken

Für Mitt Romney und Barack Obama gilt die gleiche Regel: Wahlen werden in der Mitte gewonnen. Nach dem langen Vorwahlkampf der Republikaner muss der Multimillionär zeigen, dass er auch für wichtige Wählergruppen wie Unabhängige, Frauen, Latinos oder Weiße mit College-Abschluss attraktiv ist. David Winston, der als Demoskop für die Republikaner arbeitet, schätzt den Anteil der Wechselwähler auf mehr als ein Drittel. Er sagte Politico: "40 Prozent der Amerikaner sind unzufrieden mit dem Präsidenten, aber die Republikaner müssen ihnen etwas präsentieren, das sie überzeugt."

Republican presidential candidate former Massachusetts Governor Mitt Romney speaks at a primary night rally in Manchester

Nach seinen neuerlichen Vorwahlsiegen trat Mitt Romney in New Hampshire auf - jenem Staat, in dem er im Juni 2011 seine Kandidatur bekanntgegeben hatte.

(Foto: REUTERS)

Dazu muss Romney nicht nur beliebter werden (momentan hat die Mehrheit ein negatives Bild von ihm), sondern den Wählern seine menschliche Seite zeigen: In seiner Siegesrede kündigte er an, mehr über sich zu sprechen und die Bürger mit "Geschichten über meine Kinder und Enkel" zu langweilen. Zudem sollte er radikale Positionen vermeiden. Abtreibung, Verhütung, Homo-Ehe - die Lieblingsthemen von Rick Santorum stoßen die meisten Wähler ab. Also wird Romney die Wirtschaftslage Amerikas und die Bilanz des Präsidenten in den Mittelpunkt seiner Kampagne rücken und auf seine Erfahrungen in der Privatwirtschaft verweisen.

Zugleich muss Romney versuchen, die weißen Arbeiter ohne höheren Bildungsabschluss, die in den Vorwahlen vor allem für Santorum stimmten, für sich zu gewinnen. In dieser Zielgruppe ist Obama auch nicht sonderlich populär, da er ebenso als elitärer Harvard-Absolvent gesehen wird, dem die Alltagsprobleme der Arbeiter fremd sind. Doch Romney steht vor einem doppelten Problem: Einerseits werden manche Fox-News-Moderatoren, das Tea-Party-Lager und Santorum persönlich darauf achten, dass sich Romney nicht zu weit von seinen Aussagen aus der primary-Zeit entfernt und der reinen konservativen Lehre halbwegs treu bleibt.

Zugleich setzt das Obama-Lager alles daran, Romney als Ultrakonservativen zu beschreiben. Die Zeiten, in denen Berater Romney als Wendehals verspotteten, sind offenbar vorbei. Die New York Times brachte den Strategiewechsel mit "So long, flip-flopper. Hello, right-wing extremist" auf den Punkt. Stephanie Cutter, Obamas stellvertretende Wahlkampfleiterin, sagte der Zeitung: "Mitt Romney hat die vergangenen beiden Jahre damit verbracht, die extremsten Positionen seiner Partei zu übernehmen - sowohl in der Steuer- wie in der Sozialpolitik." Es wird spannend zu beobachten sein, wie Romneys Berater darauf kontern.

Er muss bei Frauen punkten

Besonders viel zu tun gibt es für den Präsidentschaftskandidaten Romney im Werben um die Frauen. In der letzten Umfrage des Wall Street Journal und des Senders NBC liegt er zwölf Punkte hinter dem Amtsinhaber, andere Demoskopen haben noch größere Rückstände gemessen. Dass Amerikanerinnen tendenziell den Demokraten zuneigen, wird den 65-Jährigen kaum trösten, denn Frauen beteiligen sich häufiger an Wahlen als Männer.

Die Debatten um seine restriktive Einstellung zu Verhütung und Abtreibung und die Diskussionen um Ann Romneys Rolle als Hausfrau (mehr Hintergründe dazu hier) haben viele moderate Wählerinnen verstört. Obamas Berater werden diese Themen nutzen, um für ihren Kandidaten zu trommeln. Allerdings sind beide Parteien gut beraten, die Wählerinnen nicht als Block zu betrachten. Die wichtigsten Themen für Amerikanerinnen sind - in dieser Reihenfolge - kaum geschlechtsspezifisch: Gesundheitspolitik, Benzinpreis, Arbeitslosigkeit, Staatsverschuldung und die Regierungspolitik in Bezug auf Verhütung.

Ein genauer Blick auf die Umfragedaten verrät zudem eine interessante Trennlinie. Bei verheirateten Amerikanern ist Romney beliebter als Obama und er liegt auch bei den Ehefrauen vor dem Präsidenten, bei den Männern ist der Republikaner sogar noch populärer. Dass Obama bei unverheirateten Frauen vorne liegt, erklärt das Wall Street Journal auch mit deren niedrigeren Einkommen: Wer weniger verdient, sympathisiere traditionell mit den Demokraten. Mit einem Vermögen von 250 Millionen Dollar wirkt Romney auf diese Schicht besonders abgehoben. Eine weitere Analyse verrät, dass in vielen besonders umkämpften Wahlbezirken der Anteil an Eheleuten nur bei etwa 52 Prozent liege. Dies stelle eine echte Herausforderung für Romney dar.

Er muss sich mit dem Kongress arrangieren

Das Bild, das der Abgeordnete Jason Chaffetz wählte, um die Beziehung zwischen dem Kandidaten Romney und den republikanischen Spitzenpolitikern im Kongress zu beschreiben, überrascht: "Es wird keinen langen, feuchten französischen Kuss geben, aber sie werden von Zeit zu Zeit Händchen halten." Der Vergleich passt: Es ist keine Liebe auf den ersten oder gar zweiten Blick, doch sowohl Romney als auch die Konservativen auf dem Capitol Hill wissen, dass sie einander brauchen, um ins Weiße Haus einzuziehen, beziehungsweise um die Mehrheit im Repräsentantenhaus zu verteidigen und im Senat nach Möglichkeit zu erobern.

Seit Santorum das Handtuch geworfen hat, wird der Kontakt zwischen Romneys Team und Washingtons mächtigen Konservativen intensiver. Der Obama-Herausforderer telefonierte mehrmals mit dem republikanischen Haushaltspolitiker Paul Ryan, bevor dieser sein umstrittenes Budget vorstellte. Würde Ryans Haushaltsplan, dem das Repräsentantenhaus zugestimmt hat, umgesetzt, hätte dies drastische Kürzungen im Sozialbereich zufolge. Die aus John Boehner und Eric Cantor bestehende Doppelspitze der Republikaner im Repräsentantenhaus hat vor den Abgeordneten bereits erklärt, alle Initiativen mit Romneys Hauptquartier in Boston abzustimmen, um geschlossen aufzutreten. Das Ziel, Obama eine zweite Amtszeit zu verwehren, soll alle Republikaner zusammenschweißen.

Doch ein zu enges Verhältnis birgt für beide Seiten Risiken, weshalb die New York Times von einem "heiklen Tango" spricht: Romneys Strategen werden auf eine gewisse öffentliche Distanz drängen, denn nur noch jeder zehnte Amerikaner denkt positiv über den Kongress. Zudem hat Obamas Wahlkampfteam bereits begonnen, die Haushaltspläne als "grausam" zu bezeichnen und Romneys Unterstützung für Ryans Vorschläge entsprechend auszuschlachten.

Andererseits werden sich die 2010 neu gewählten Abgeordneten, die der Tea Party nahe stehen, nicht allzu sehr disziplinieren lassen. Jeff Landry, ein Neuling aus Louisiana, spricht für viele, wenn er tönt: "Wir sind keine Cheerleader, sondern wir halten den Taktstock in der Hand und bestimmen, wo es lang geht." Es geht in den nächsten Wochen vor allem darum, eine gute Arbeitsbasis zu finden und einige Abgeordnete und Senatoren auszuwählen, die zwischen beiden Seiten vermitteln können. Je weniger Journalisten mitbekommen, wie oft Mitt Romney mit John Boehner, Eric Cantor oder Mitch McConnell Händchen hält, umso besser wird dies für seine Kampagne sein.

Er muss noch viel mehr Geld sammeln

Das Ziel ist ambitioniert: Bis zum 6. November 2012 wollen die Republikaner und Romneys Unterstützer 800 Millionen Dollar einsammeln, um Präsident Obama zu besiegen. Rechnet man die 200 Millionen Dollar dazu, die konservative Super-Pac-Lobbygruppen und andere Organisationen ausgeben wollen, ergibt sich die unglaubliche Summe von einer Milliarde Dollar.

Die Herausforderungen sind groß und das Geld wird nicht nur für jene Negativwerbung verwendet werden, mit der der Ex-Gouverneur aus Massachusetts seine Konkurrenten im Vorwahlkampf in die Knie gezwungen hatte: "Team Romney" muss in besonders umkämpften Staaten Büros eröffnen und Mitarbeiter entsenden, es gilt den Nominierungsparteitag in Tampa Ende August vorzubereiten und mehr Social-Media-Experten müssen eingestellt werden.

2008 sammelte Obama 750 Millionen Dollar ein und Experten erwarten, dass der 44. US-Präsident in diesem Jahr eine Milliarde zur Verfügung haben wird. Während sich die Wall-Street-Banken zurückhalten, erhält Obama viele Spenden aus Hollywood, etwa von den Filmproduzenten Jeffrey Katzenberg und Harvey Weinstein. Also wird der Demokrat wie schon 2008 stark auf Kleinspenden setzen.

Er muss den richtigen Vizepräsidenten finden

Wen wählt Romney als running mate? Experten in den Fernsehsendern, Blogger und Politik-Redakteure haben zuletzt viel Zeit damit verbracht, darüber zu spekulieren, welcher Republikaner den 65-Jährigen am besten als Vizepräsident unterstützen könnte. Marco Rubio, der Jungsenator aus Florida, würde die Latinos elektrisieren, Senator Rob Portman kommt aus dem wichtigen Swing State Ohio, Rick Santorum wird von der konservativen Basis verehrt, Condoleezza Rice ist eine Außenpolitik-Expertin und Susana Martinez, Gouverneurin aus New Mexiko, könnte sowohl Frauen als auch Hispanics ansprechen.

Allerdings wird es noch mindestens drei Monate dauern, bis sich Mitt Romney entscheidet, wen er als Stellvertreter nominiert. Es bleibt noch Zeit, um die Entwicklung des Wahlkampfs und der bestimmenden Themen abzuwarten und die wichtigste Personalentscheidung danach auszurichten. Die möglichen Kandidaten und ihre Familien werden aufs Peinlichste überprüft werden, damit nicht - wie bei Sarah Palin 2008 - peinliche Wissenslücken, Jugendsünden oder Steuertricksereien die Kampagne auf der Zielgerade belasten.

Auf Mitt Romney warten also einige schwierige Entscheidungen und viele Möglichkeiten, Fehler zu machen oder gute Gelegenheiten zu verpassen. Doch ein Präsidentschaftswahlkampf ist eben auch die Vorbereitung auf einen der härtesten Jobs, den es auf der Welt zu vergeben gibt.

Der Autor twittert aus Washington unter @matikolb.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: