Präsidentschaftswahl in Aserbaidschan:Pappkameraden für die Demokratie

Aserbaidschans Präsident Alijew

Aserbaidschans Präsident Alijew

(Foto: dpa)

Während sich seine Herausforderer gegenseitig verprügeln, sieht Aserbaidschans Präsident Alijew heute gelassen seiner Wiederwahl entgegen. Mit der dritten Amtszeit dürfte die Clan-Dynastie auf unabsehbare Zeit gesichert sein. Doch die Entwicklung in dem Land ist nur auf den ersten Blick eine positive.

Von Julian Hans, Moskau

Nicht einmal reden wollte Ilham Alijew mit seinen Herausforderern. Zur Fernsehdebatte mit den neun Kandidaten, die gegen den aserbaidschanischen Präsidenten antreten dürfen, schickte er einen Stellvertreter. Das Fernsehen zeigte dann, wie die Bewerber aufeinander losgingen, auch mit den Fäusten. Eine Opposition, die ein solches Bild abgibt, braucht man nicht zu fürchten. Und dafür, dass sie dieses Bild abgibt, hatte Alijews Apparat rechtzeitig gesorgt. Die meisten der neun Herausforderer haben keine wirkliche Ambitionen, es sind politische Pappkameraden, aufgestellt als Statisten für das demokratische Spiel. Ein ernsthafter Kandidat wurde im Februar verhaftet.

Knapp fünf Millionen Aserbaidschaner sind an diesem Mittwoch zur Wahl eines neuen Staatsoberhaupts aufgerufen. Alijews Sieg gilt als ausgemachte Sache. Bei den letzten Wahlen 2008 bekam er 88 Prozent der Stimmen zugeschrieben. Nun strebt der 51-Jährige eine dritte Amtszeit an. Dafür hat er 2009 eigens die Verfassung ändern lassen; mehr als 90 Prozent stimmten für die Abschaffung der Regel, wonach Staatsoberhäupter nur zwei Amtszeiten regieren dürfen.

Damit dürfte die Herrschaft der Alijew-Dynastie auf unabsehbare Zeit gesichert sein. Denn die Wahl ist für den Präsidenten zugleich ein Jubiläum: Vor zehn Jahren hat er die Macht von seinem Vater Gejdar übernommen, einem ehemaligen Chef des sowjetischen Geheimdienstes KGB.

Glitzernde Glasfassaden

Die Entwicklung, die das Land seitdem hingelegt hat, scheint auf den ersten Blick berauschend zu sein. Besucher, die durch die Hauptstadt Baku fahren, fällt oft der Vergleich mit Dubai ein: Überall stehen moderne Hochhäuser mit glitzernden Glasfassaden, flankiert von einer imposanten Uferpromenade am Kaspischen Meer. Dank des Ölbooms ist innerhalb von zwei Jahrzehnten aus einem verarmten, vom Krieg zerrissenen Land eine regionale Großmacht geworden. Seit der Eröffnung der Pipeline Baku-Tiflis-Ceyhan 2006 hat sich das Bruttoinlandsprodukt auf 70 Milliarden Dollar verzwanzigfacht. Das Land, das etwa neun Millionen Einwohner zählt und wenig größer ist als Österreich, tritt inzwischen auch international selbstbewusst auf. Seit 2012 ist der kaspische Staat im UN-Sicherheitsrat vertreten.

Das Kalkül, den Erfolg der Welt beim Eurovision Song Contest im vergangenen Jahr zu präsentieren, ist dagegen nur teilweise aufgegangen. Mit der Aufmerksamkeit für Aserbaidschan kam auch massive Kritik an Menschenrechtsverletzungen durch das Regime und der Drangsalierung der Medien. Nun ist die Aufmerksamkeit weg, aber die Ursachen für die Kritik sind geblieben.

Die Opposition beklagt einen höchst unfairen Wahlkampf - so sei in den Staatsmedien fast nur Alijew zu sehen gewesen. Überall hängen auch Porträts von Alijews Vater. Die Hoffnung der Opposition ruht nun darauf, dass der gemeinsame Kandidat Dschamil Gassanli wenigstens einen Achtungserfolg erzielen könnte. Der 61 Jahre alte Historiker versprach, vor allem die Korruption zu bekämpfen, Eigentumsrechte zu schützen und das Land zu demokratisieren. Trotz Behinderungen durch Polizei und Verwaltung kommen zu seinen Kundgebungen mehrere Tausend Anhänger. Beobachter geben ihm jedoch kaum eine Chance.

Scharfe Kritik am aserbaidschanischen Wahlkampf kam auch aus Brüssel. Es gebe einen "Mangel an demokratischem Wettbewerb", erklärte die Europäische Union. Die Führung in Baku stört sich hingegen daran, dass Kritiker zu sehr auf Verstöße schauen und zu wenig auf Fortschritte bei der Modernisierung des erst seit 20 Jahren unabhängigen Landes. Staatspräsident Alijew betonte stets, dass das islamisch geprägte Aserbaidschan nach Westen orientiert sei.

Wenig Arbeit, viel Rüstung

Von den Petrodollars profitieren allerdings nur wenige Aserbaidschaner. In den Randbezirken der Hauptstadt Baku ist die Armut sichtbar, viele Menschen klagen über Arbeitslosigkeit und suchen Jobs im Ausland. Der russische Präsident Wladimir Putin sprach unlängst davon, dass zwei Millionen Aserbaidschaner in Russland arbeiten würden.

Mit dem neuen Selbstbewusstsein einher geht eine massive Aufrüstung. 2011 verdoppelte das Land seinen Verteidigungshaushalt auf 2,4 Milliarden Euro, was 6,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts entspricht. Gerade erst wurde ein neues Rüstungsgeschäft mit Russland im Wert von 1,6 Milliarden Dollar vereinbart. Für Aserbaidschan steht ein anderer Konflikt im Vordergrund: An der Grenze zum benachbarten Armenien gibt es immer wieder Gefechte. Seit dem Krieg um Berg-Karabach Anfang der neunziger Jahre haben beide Staaten noch immer keinen Frieden geschlossen.

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