Postwertzeichen für den Altkanzler:Die Marke Kohl

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55 Cent für ein Stück Geschichte: Helmut Kohl bekommt im Oktober seine eigene Briefmarke. Das ist unüblich - zu Lebzeiten werden eigentlich nur Bundespräsidenten geehrt. Fraglich ist, ob Finanzminister Schäuble die Marke überreichen wird - sein Verhältnis zu Kohl gilt als zerrüttet.

Heribert Prantl

"Er war schon immer groß in der historischen Inszenierung." Das ist der erste Satz der monumentalen Kohl-Biografie des Zeithistorikers Hans-Peter Schwarz, die am Montag tausendseitig auf den Markt kommt. Geschildert wird im Prolog, unter der Kapitelüberschrift "Der Riese", der Große Zapfenstreich des Bonner Wachbataillons zur Verabschiedung des abgewählten Kanzlers in der Abenddämmerung des 17. Oktober 1998.

Altkanzler Kohl Ende August an seiner alten Werkstätte - dem ehemaligen Bundestag in Bonn. (Foto: Reuters)

Im Hintergrund, hell angestrahlt, der Kaiserdom von Speyer. Dorthin, in die größte romanische Kirche der Welt, pflegte Kohl die Staatsgäste zu führen, die er besonders beeindrucken wollte. Dort liegen acht deutsche Könige und Kaiser begraben.

Das Größte - das hat Helmut Kohl immer gefallen. Verglichen damit ist die Ehrung, die dem 82-jährigen früheren Kanzler jetzt zuteilwird, winzig klein: Es ist eine Sonderbriefmarke, in der üblichen Größe und im Wert von 55 Cent. Darauf steht: "Helmut Kohl - Kanzler der Einheit - Ehrenbürger Europas". Gestaltet hat sie der 75-jährige Coordt von Mannstein, den der Spiegel "Werbepapst" nennt, weil er 16 Jahre lang die Wahlkämpfe Kohls betreut hat.

Auf seiner Homepage wirbt Mannstein mit "kämpferischer Kreativität". Wie dieser Kampf auf der Briefmarke ausgegangen ist, ist noch ein Geheimnis. Rotfarben wird die Marke (die vom 11. Oktober an ausgegeben wird) gewiss nicht sein, aus naheliegenden Gründen. Wohl eher dunkelblau/schwarz, wie die erste Marke mit einem Porträt Adenauers, die zu dessen erstem Todestag 1968 erschien.

Das ist eine Besonderheit an der Kohl-Briefmarke: Sie erscheint zu Lebzeiten. Das ist unüblich. Nur die Bundespräsidenten werden schon zu Lebzeiten abgeleckt. Und Benedikt XVI. - dem deutschen Papst wurde 2005 eine deutsche Sonderbriefmarke gewidmet, Wert 55 Cent, wie die von Kohl. Damals hat SPD-Bundesfinanzminister Hans Eichel dem Papst das erste Exemplar im Vatikan überreicht. Der Finanzminister ist kraft seines Amtes für Postwertzeichen aller Art zuständig.

"Tragische Gestalt"

Ob freilich auch Wolfgang Schäuble die Marke persönlich überreichen wird, ist sehr fraglich. Das Verhältnis zwischen Schäuble und Kohl ist zerrüttet. Kohl hatte im Bundestagswahlkampf 1998 den von ihm zuvor schon zum Kanzlerkandidaten ausgerufenen Schäuble wieder ausgebootet und war selbst noch einmal, erfolglos, angetreten. Schäuble hat die einstige 30-jährige Freundschaft einmal wie folgt kommentiert: "Ich will nichts mehr mit ihm zu tun haben."

Die Junge Union hatte auf dem CDU-Parteitag vor zwei Jahren einen Beschluss für eine Sondermarke zu Ehren Kohls erwirkt - ungeachtet der Tatsache, dass Kohl im Jahr 2000 den Ehrenvorsitz der Christdemokraten wegen des Parteispendenskandals niederlegen musste.

Adenauers erste Briefmarke hatte einst den Wert von 50 Pfennig. Ist nun Kohls Marke mit 55 Cent mehr oder weniger wert? Mit dieser Frage ist man bei den Überlegungen, mit denen Hans-Peter Schwarz seine Kohl-Biografie abschließt. Die historische Reputation des Kanzlers, so meint der Biograf, werde auch von der Fortentwicklung der Euro-Krise abhängen. Aus gegenwärtiger Sicht erscheine er "in dieser Hinsicht als tragische Gestalt". Die Darlegungen dazu passen aber nicht auf eine Briefmarke.

© SZ vom 01.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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