Portugals Ex-Premier Sócrates:Nur der prominenteste Fang der Steuerbehörden

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Wird der Steuerhinterziehung, Geldwäsche und Korruption beschuldigt: Portugals Ex-Premierminister José Sócrates. (Foto: REUTERS)

Er liebte das luxuriöse Leben, nun sitzt Portugals ehemaliger Ministerpräsident Sócrates im Gefängnis. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Sozialisten Steuerhinterziehung und Geldwäsche vor. Er ist nicht der Einzige, der den Ermittlern zuletzt ins Netz ging.

Von Thomas Urban, Madrid

José Sócrates hat nun schon die zweite Nacht hinter Gittern verbracht. Dies hätte sich der frühere portugiesische Premierminister, der für seinen Hang zum schönen und luxuriösen Leben bekannt ist, kaum träumen lassen. Die Staatsanwaltschaft in Lissabon wirft ihm Steuerhinterziehung, Korruption und Geldwäsche vor. Noch nie ist ein ehemaliger Regierungschef aus einem EU-Staat verhaftet worden.

Kommentatoren in Lissabon sehen den Zeitpunkt als nicht zufällig: Die Sozialistische Partei, deren umjubelter Führer Sócrates war, bis er mit der großen Krise 2011 alle Ämter verlor, befindet sich derzeit im Aufwind, während die Konservativen um den drögen Premierminister Pedro Passos Coelho wegen ihres rigiden Sparkurses den Umfragen zufolge stark an Rückhalt verloren haben. Im kommenden Herbst finden Parlamentswahlen in Portugal statt.

Sócrates nicht der einzige Fall

Der alerte Sócrates ist der prominenteste in einer ganzen Reihe von Fällen, in denen die portugiesischen Strafverfolger in letzter Zeit Karrieren abrupt beendet haben. In seinem Fall sind Einzelheiten noch nicht bekannt, an die Presse wurde nur durchgesteckt, dass er erkleckliche Privateinkünfte nicht dem Finanzamt gemeldet habe. Sócrates hatte in seiner Amtszeit das letzte Wort bei großen Infrastrukturvorhaben, deren Finanzierung allerdings riesige Löcher in das Staatsbudget gerissen hat.

Wie auch im Nachbarland Spanien hatte die sozialistische Regierung unter ihm die ersten Anzeichen für eine Immobilienblase missachtet, stattdessen öffentliche Bauvorhaben sowie die Aufblähung des öffentlichen Dienstes durch Milliardenkredite finanziert. 2011 musste er für diese verfehlte Wirtschaftspolitik den Offenbarungseid leisten und den demütigenden Gang nach Brüssel antreten: Portugal musste sich unter den europäischen Rettungsschirm begeben, die Zusagen über einen Kredit von 78 Milliarden Euro, die der Internationale Währungsfonds, die Europäische Zentralbank sowie die EU machten, rettete das Land in letzter Minute vor dem Staatsbankrott.

Eine "Troika" der drei Kreditgeber kontrollierte bis zu diesem Frühjahr die Haushaltspolitik Lissabons. Socrates` Nachfolger Coelho konnte dank seines Sparprogramms das Land in der Tat aus der Rezession führen.

In der öffentlichen Meinung galt der gefallene "Sunnyboy" Sócrates als der Hauptschuldige für die Krise, mit großen Beileidsbekundungen seiner Landsleute muss er daher nun nicht rechnen. Dabei hatte schon das konservative Kabinett unter José Manuel Barroso vor ihm vor den dringend gebotenen Strukturreformen zurückgeschreckt. Sócrates' Politik hat die Lage noch verschlimmert.

Von seiner Festnahme auf dem Lissaboner Flughafen bei der Rückkehr von einer Auslandsreise wurde er offenbar völlig überrascht. In seiner Villa in einem Nobelviertel fand eine Hausdurchsuchung statt.

Die Medien hatten schon wiederholt über Sócrates' Luxuswohnung in Paris berichtet, die rund drei Millionen Euro gekostet haben soll. Es wurde spekuliert, woher dieses Geld stammt. Die Staatsanwaltschaft teilte nur mit, dass Ausgangspunkt der Ermittlungen die Mitteilung einer Bank an die Steuerbehörden gewesen sei. Es bestehe aber kein Zusammenhang zum Fall des langjährigen Vorstandsvorsitzenden und Mitbesitzers der Espírito Santo-Gruppe, Ricardo Salgado.

Auch Kabinett Passos Coelho im Visier der Ermittler

Der frühere Milliardär wurde im Juli vorübergehend festgesetzt, ebenfalls wegen Geldwäsche und Steuerhinterziehung. Es wurde bekannt, dass seine Unternehmensgruppe hochverschuldet ist, innerhalb weniger Tage wurde sie zerschlagen und umstrukturiert. Der Espírito Santo-Clan, der teilweise persönlich haftete, verlor einen Großteil seines Privatvermögens. Die Kommentatoren nahmen dies überwiegend mit großer Zufriedenheit hin.

Doch auch das Kabinett Passos Coelho geriet ins Visier der Staatsanwaltschaft. Erst vor einer Woche trat Innenminister Miguel Macedo zurück. Ihm wurde vorgeworfen, eine korrupte Praxis bei der Vergabe von Dauervisa für Ausländer geduldet zu haben; ob er in die eigene Tasche gewirtschaftet hat, ist noch nicht bekannt.

Um das Staatsbudget aufzubessern und den Immobilienmarkt zu beleben, können Ausländer außerhalb der EU, die mindestens eine halbe Million in dem Land investieren, sich das Aufenthaltsrecht erkaufen. Besonders beliebt sind diese "goldenen Visa" bei reichen Chinesen und Russen.

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