Misstrauensvotum:Protest gegen Sparpolitik: Linke Mehrheit stürzt Regierung in Portugal

  • 123 der 230 Parlamentsabgeordneten stimmten für den Antrag der Sozialisten, das Regierungsprogramm von Ministerpräsident Coelho für die neue Legislaturperiode abzulehnen.
  • Sozialistenchef António Costa strebt die Bildung einer Regierung mit Unterstützung des marxistischen Linksblocks sowie den Kommunisten und Grünen an.
  • Passos Coelho hat die vergangenen vier Jahre stoisch ein Sparprogramm umgesetzt und somit das Land aus der Rezession geführt.

Von Thomas Urban, Madrid

Die linke Opposition hat die Mitte-rechts-Regierung in Portugal per Misstrauensvotum nach nur elf Tagen gestürzt. 123 der 230 Parlamentsabgeordneten stimmten am Dienstag für den Antrag der Sozialisten, das Regierungsprogramm von Ministerpräsident Pedro Passos Coelho für die neue Legislaturperiode abzulehnen. Die Sozialistische Partei (PS), der marxistische Linksblock (BE) sowie die Kommunisten und Grünen (CDU) hatten am Dienstag im Parlament von Lissabon jeweils einen Misstrauensantrag gegen das Sparprogramm von Ministerpräsident Pedro Passos Coelho eingereicht. Ein Regierungswechsel müsste allerdings erst von Präsident Aníbal Cavaco Silva nach Verhandlungen mit den Fraktionen gebilligt werden. So lange würde Passos Coelho die Regierungsgeschäfte weiterführen.

Sozialistenchef António Costa strebt selbst die Bildung einer Regierung mit Unterstützung der beiden linken Gruppierungen an. Sein Vorhaben hatte er dem konservativen Staatspräsidenten unterbreitet, doch hatte Cavaco Silva sich geweigert, Costa den Auftrag zur Regierungsbildung zu erteilen. Der Staatspräsident führte an, dass die beiden Linksgruppierungen die Zugehörigkeit Portugals zur Nato ablehnten und das Abkommen mit den europäischen Institutionen über die Sanierung der Staatsfinanzen nicht respektieren wollten.

Das Bündnis der drei Gruppierungen verfügt zusammen über 122 der 230 Mandate im Parlament von Lissabon. Die bisher regierende Mitte-rechts-Koalition, der die liberal-konservative Sozialdemokratische Partei (PSD) unter Coelho sowie die konservative Volkspartei (PP) angehören, hatte bei den Wahlen am 4. Oktober nur 38,5 Prozent der Stimmen erhalten und damit ihre absolute Mehrheit verloren. Die PS, die lange in den Umfragen geführt hatte, war allerdings nur auf 32,3 Prozent gekommen. Der Linksblock hatte 10,2, die grünen Kommunisten 8,2 Prozent der Stimmen erhalten.

Entlassungen im öffentlichen Dienst, Kürzung von Bildungs- und Sozialausgaben

Staatspräsident Cavaco Silva hatte sich nach den Wahlen für eine große Koalition aus Sozialdemokraten, Konservativen und Sozialisten ausgesprochen, doch waren die Gespräche darüber gescheitert. Obwohl der bisherige Ministerpräsident Passos Coelho nicht über eine Mehrheit im Parlament verfügte, ernannte ihn Cavaco Silva schließlich ein zweites Mal zum Regierungschef.

Portugal's PM Passos Coelho speaks during a debate on government programmes at the parliament in Lisbon

Noch am Montag sprach Portugals Premier Pedro Passos Coelho (Mitte) im Parlament. Am Dienstag drohte ihm ein Misstrauensvotum.

(Foto: Hugo Correia/Reuters)

Passos Coelho hat die letzten vier Jahre stoisch ein Sparprogramm umgesetzt und somit das Land aus der Rezession geführt. Die Arbeitslosigkeit ist auf zwölf Prozent gesunken, für Ende 2015 wird ein Wachstum von 1,7 Prozent erwartet. Das Sanierungsprogramm, das mit Entlassungen im öffentlichen Dienst und der Kürzung von Bildungs- und Sozialausgaben einherging, war das Ergebnis einer Übereinkunft zwischen Lissabon und dem Internationalen Währungsfonds, der Europäischen Zentralbank sowie der EU, die 2011 das Land mit Kreditgarantien über insgesamt 78 Milliarden Euro vor dem Staatsbankrott gerettet hatten. Das Abkommen schloss 2011 noch die damalige sozialistische Regierung unter Pedro Sócrates, nachdem dieser zuvor mit einem kreditfinanzierten Konjunkturprogramm gescheitert war.

Mit einer Reichensteuer wollen die Linken ihre teuren Pläne finanzieren

Im Wahlkampf hatte Costa als Spitzenkandidat der Sozialisten nicht verhehlt, dass er im Falle seiner Wahl zum Regierungschef das Sanierungsprogramm Passos Coelhos im Großen und Ganzen fortführen, allerdings die Sozialausgaben auf Kosten anderer Budgetpositionen aufstocken wolle. Ein Sprecher der Sozialisten gab nun bekannt, dass zu den ersten Schritten einer künftigen Linksregierung die Anhebung des Mindestlohnes von 505 auf 600 Euro beschlossen werden solle. Außerdem soll die Kürzung der Sozialausgaben rückgängig gemacht werden.

Woher die Regierung dafür die Mittel nehmen will, erklärten die Vertreter der beiden kleinen Parteien allerdings nicht. Sie verweisen allgemein auf eine Reichensteuer. Doch für diesen Fall warnen Wirtschaftsexperten vor einer Kapitalflucht und Investitionsblockade. Einigen Umfragen zufolge waren die Kürzungen der öffentlichen Ausgaben bei der Mehrheit der Portugiesen nicht umstritten. Der Abbau des Staatsapparats wurde von vielen als notwendig angesehen. Kleine und mittlere Betriebe bilden das Rückgrat der portugiesischen Volkswirtschaft, sie erhofften sich von dem Sanierungsprogramm eine geringere Steuerlast. Versuche der linken Gruppierungen und der Gewerkschaften, mit einem Generalstreik das Kabinett Passos Coelho zur Aufgabe des Sparprogramms zu bewegen, waren gescheitert.

Costa wurde in den vergangenen Tagen nicht müde zu erklären, dass das Abkommen mit den Kreditgebern nicht infrage gestellt werde. Ein Ausweg wären Neuwahlen, die aber erst im Frühsommer 2016 möglich wären. Im Januar wird ein Staatspräsident gewählt, Cavaco Silva darf nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten. Die Verfassung verbietet es einem neuen Staatsoberhaupt, innerhalb der ersten sechs Monate nach seiner Wahl das Parlament aufzulösen.

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