Porträt:Michael Naumann - der Kulturherausgeber

Der Spitzenkandidat der Hamburger SPD wurde berühmt als Staatsminister für Kultur und zur Institution als Herausgeber der Wochenzeitung Die Zeit. Sein Leben zwischen Kultur und Politik bietet Stoff für mehrere Biographien. Hier eine kurze.

Michael Naumann wurde am 8. Dezember 1941 als Sohn eines Rechtsanwalts im anhaltinischen Köthen geboren. Naumann studierte nach dem High-School-Abschluss in den USA und nach dem Abitur in Scheinfeld von 1963 bis 1969 in Marburg und München Politische Wissenschaften, Geschichte und Philosophie.

Den Beginn der 68er-Studentenbewegung erlebte er als Studentenfunktionär mit. 1969 promovierte Naumann mit einer Arbeit über Karl Kraus ("Der Abbau der verkehrten Welt") an der Universität München. 1980 habilitierte er sich an der Ruhr-Universität Bochum zum Thema "Strukturwandel des Heroismus".

Naumann begann seine journalistische Karriere 1969 beim Münchner Merkur. 1970 wechselte er zur Wochenzeitung Die Zeit, die er entscheidend geprägt hat und deren Herausgeber er heute ist.

Naumann war einer der Gründungsredakteure des Zeit-Magazins, leitete die Redaktion "Dossier", und war Washington-Korrespondent. Zwischenzeitlich leitete er die Auslandsredaktion des Spiegel.

Erfolgreich in Verlagsbranche

1985 berief Dieter von Holtzbrinck Naumann in die Position des Leiters der Rowohlt-Verlage. 1990 gründete er den "Rowohlt Berlin Verlag" und im August 1995 in New York "Metropolitan Books".

Im Oktober 1995 gab Naumann nach zehn Jahren erfolgreicher Arbeit seine Position als verlegerischer Geschäftsführer der Rowohlt Verlage auf, um ausschließlich für den New Yorker Literaturverlag "Metropolitan Books" und den Verlag "Henry Holt and Company" zur Verfügung zu stehen.

Im Sommer 1998 nahm der damalige SPD-Kanzlerkandidat Gerhard Schröder Naumann als "Staatsminister für Kultur im Bundeskanzleramt" in sein "Kernteam" auf.

Eine erste Kontroverse löste Naumann Ende Juli 1998 mit seinen deutlichen Worten gegen die Errichtung des Holocaust-Mahnmals in Berlin aus. Eine Nation, die sich in Erinnerung an dieses Verbrechen ein "elegantes, ästhetisch befriedigendes Denkmal" ins Zentrum ihrer Hauptstadt stelle, werde "irgendwann einmal der Schamlosigkeit geziehen", meinte er.

Vom Idealisten zum Realpolitiker

Auf Widerstand beim Auswärtigen Amt stießen Naumanns Vorstellungen über eine direkte Anbindung der Goethe-Institute ans Kanzleramt. Zustimmung nicht nur in Kulturkreisen fanden dagegen seine Anregungen bezüglich der vermehrten Unterstützung des deutschen Films, des Erhalts der Buchpreisbindung und des Wiederaufbaus des Berliner Stadtschlosses oder der Annäherung des Stiftungs- und Spendenrechts an amerikanische Verhältnisse.

Am 25. Juni 1999 beschloss der Bundestag mit großer Mehrheit die Errichtung eines Mahnmals für die Opfer des nationalsozialistischen Völkermordes an den europäischen Juden in Berlin nach überarbeiteten Plänen des amerikanischen Architekten Peter Eisenman.

Der auf dem politischen Parkett nach Beobachtermeinung vom Idealisten zum Realpolitiker gewandelte Naumann sah mit der Modifizierung des Eisenman-Vorschlags seine Vorstellungen für ein zentrales Holocaust-Mahnmal weitgehend erfüllt.

Ende des Jahres 2000 schied Naumann aus persöndlichen Gründen aus der Regierung aus. Naumann wechselte zum Jahresanfang 2001 als Mit-Herausgeber (neben Marion Gräfin Dönhoff, Helmut Schmidt und Josef Joffe) und Chefredakteur (neben Josef Joffe) zur Zeit zurück, die er bis Mitte 2004 auch als Chefredakteur leitete.

Während Naumanns Tätigkeit als Chefredakteur und Herausgeber der Zeit wurde die Wochenzeitung modernisiert und die Gesamtauflage um mehr als zehn Prozent gesteigert. Sein Nachfolger wurde Giovanni Di Lorenzo.

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