Porträt:General Franks - Bushs erster Soldat

Maulfaul, fast scheu und von messerscharfem Verstand — das ist US-General Tommy Franks, Bushs Hoffnungsträger aus Texas, der im Irak siegen muss.

Wolfgang Koydl

(SZ vom 22.03.2003) - Wer hat schon Angst vor Pu, dem Bären? Wer fürchtet sich schon vor einem Mann, dessen Gesicht so liebevoll zerknautscht ist wie das von Walter Matthau? Was soll schon bedrohlich sein an einem Menschen, der nicht nur so quälend langsam spricht wie Forrest Gump, sondern auch einen ähnlichen Haarschnitt bevorzugt? Nein, auf den ersten Blick beeindruckt an Tommy Franks nur die Körpergröße: Sechs Fuß, drei Inches, stolze 1,91 Meter hoch ragt er über alle anderen hinaus. Dieses Format und die tief brummelnde Stimme dürften Enkelin Ann wohl auch inspiriert haben, ihn Winnie Pu zu nennen.

Porträt: US-General Tommy Franks hat eine Lebensweisheit: "Niemand hasst den Krieg mehr als ein Soldat."

US-General Tommy Franks hat eine Lebensweisheit: "Niemand hasst den Krieg mehr als ein Soldat."

Unauffälliger Vier-Sterne-General

Aber Franks ist alles andere als ein kuscheliger Honigbär. Iraks Diktator Saddam Hussein und seine Generäle würden einen folgenschweren Fehler machen, wenn sie ihren Gegenspieler auf dem Schlachtfeld unterschätzten. Allerdings wären sie nicht alleine, denn in dem 57-jährigen Vier-Sterne-General haben sich auch schon andere getäuscht. "Während seiner ganzen Laufbahn ist er immer sehr unauffällig geblieben", meint ein Offizier der Marines, der ihn kennt.

"Das war das Geheimnis seines Erfolgs." Und Konteradmiral Craig Quigley ergänzt: Jeder, der hinter dem gemächlichen Texasdialekt nicht einen messerscharfen Verstand erkennt, begeht einen unglaublich großen Fehler."

250.000 Mann hören auf sein Kommando

Sich in Unauffälligkeit zu flüchten wie in eine schwarz-braun gescheckte Tarn-Uniform, die er so gerne trägt- das wird Franks freilich nie wieder gelingen. Denn auf ihn blickt die Welt, weil er der Mann ist, der nun 250.000 amerikanische Soldaten in die Schlacht um den Irak führt. Von seinen militärischen Fähigkeiten wird das Schicksal der Region und damit auch die künftige Weltmachtrolle Amerikas abhängen. Außerdem hält der General die politische Zukunft seines Oberkommandierenden in den Händen: Auch George Bushs Schicksal entscheidet sich in den nächsten Tagen an der Front.

Verschlossene Öffentlichkeitsarbeit

Franks freilich merkt man nicht an, welche Verantwortung auf seinen Schultern lastet. Am wohlsten fühlt er sich ohnehin in der Gesellschaft einfacher Rekruten und Feldwebel. "Ich erinnere mich an die Zeit als einfacher Soldat und ob man mich gut behandelt hat oder nicht." Auftritte in der Öffentlichkeit hingegen, Pressekonferenzen gar, sind ihm ein Gräuel. Selten lässt er sich mehr als einsilbige Kommentare entlocken, was ihn nicht unbedingt zum Liebling der Medien gemacht hat.

Das unterscheidet den hageren Hünen von seinem bulligen Vorgänger, General Norman Schwarzkopf, der vor zwölf Jahren Amerikas ersten Golfkrieg führte. Der mitteilsame "Stormin Norman" genoss es, wann immer ihm Mikrofone oder Kameralinsen entgegengehalten wurden. Ganz anders Franks: Auf die Frage nach dem Verbleib des Al-Quaida-Führers beispielsweise gab er die zutreffende und seiner Meinung nach auch erschöpfende Auskunft: "Osama bin Laden ist entweder in Afghanistan oder er ist nicht dort."

Auch jetzt, nach Beginn der Invasion, steht Franks nicht medienwirksam an der Front, gibt keine Interviews und Pressekonferenzen, sondern leitet von seinem Hauptquartier im Golf-Emirat Katar aus die Offensive. "Viele Generäle haben eine Medienpersönlichkeit und ihre eigene, wirkliche Persönlichkeit", sagt Admiral Archie Clemins über seinen Kameraden. "Bei Tommy kriegt man genau das, was man sieht."

Gebündelte Krisenherde

Vor anderthalb Jahren hat der Afghanistan-Feldzug den Berufsoffizier ins Licht der Öffentlichkeit katapultiert. Dass er nun schon wieder einen Krieg für die Vereinigten Staaten führen muss, liegt an dem Kommando, das er führt. Denn im Central Command (Centcom) sind einige der gefährlichsten und brisantesten Krisenherde der Welt gebündelt - in Afrika, im Nahen Osten und in Zentralasien. Vom Nil bis zum Hindukusch reicht der Bogen jener 25 Länder, die der 3200 Mitarbeiter starke Centcom-Stab vom Hauptquartier in der McDill Air Force Base in Tampa im Bundesstaat Florida aus überwacht. "Wir haben entweder 'ne Menge Schnee oder 'ne Menge Sand", beschreibt Tommy Franks mit leichtem Understatement seinen Sprengel, "und an manchen Tagen haben wir beides."

Centcom unterscheidet sich von anderen US-Kommandos unter anderem darin, dass es über keine eigenen Truppen verfügt. Daraus ergibt sich, dass das Zentralkommando in Friedenszeiten eine eher politische, denn militärische Einrichtung ist. Hunderte von Experten verfolgen die politische und soziale Entwicklung in Kasachstan oder Kuwait, Ägypten oder Afghanistan, und der Oberkommandiere pflegt persönliche Kontakte zu Prinzen, Premiers und Potentaten in der Region.

Freundschaften im Nahen Osten

Kameradschaftlich eng ist das Verhältnis Franks zu den Präsidenten Ägyptens und Pakistans, Husni Mubarak und Pervez Musharraf. Kein Wunder, beide sind ja auch Generäle. Aber auch mit Jordaniens jungem König Abdullah verbindet den Texaner eine fest Freundschaft. Beide verbrachten schon einen Urlaub zusammen, und der Monarch verehrte dem Motorrad-Narren Franks eine Harley-Davidson.

Kleinbürgerliche Herkunft

Kaum jemand hätte es für möglich gehalten, dass es der kleine Tommy aus der Ölstadt Midland in Texas einmal so weit bringen würde. Zwar wuchs auch der Millionärssohn Bush in dieser Stadt auf, aber die Franks stammten aus ganz anderen, aus kleinbürgerlichen Verhältnissen. "Du warst nie gerade die hellste Birne in der Lampe", meinte denn auch Franks' einstiger Schuldirektor bei einem Klassentreffen. Der General nahm es gelassen und erwiderte achselzuckend: "Da sieht man mal wieder, welch großartiges Land das ist." Ganz recht, denn eine Schulkameradin von damals hat es noch weiter gebracht: First Lady Laura Bush war zwei Klassen unter ihm.

Karriere beim Militär

Das Militär war zunächst eine Verlegenheitslösung für Franks, nachdem er das Studium abgebrochen hatte. Er ging zur Artillerie und wurde 1967 gleich nach Vietnam geschickt, wo er dreimal verwundet und mit drei Purpur-Herzen ausgezeichnet wurde. Wie viele andere Veteranen will er über diese Zeit nicht sprechen.

Schnell und unspektakulär erklomm er eine Beförderungsstufe nach der anderen, er diente in Stützpunkten und im Pentagon, durchlief Touren in Korea und in Deutschland, bis er 2000 den Oberbefehl über Centcom übernahm.

Vorliebe für einfache Dinge

Dass man ihn oft unterschätzte, mag vielleicht auch daran liegen, dass Franks ein Freund schlichter Genüsse ist. Er liebt Country-Musik und Schlager aus den Fünfzigern, er fährt mit einem zerbeulten Pickup ins Büro, flucht wie ein - naja - Soldat und erfreut Untergebene zuweilen mit derben Streichen. Auf dem 15-Stunden-Flug von Tampa ins Kriegshauptquartier Katar am Persischen Golf drapiert er dann zum allgemeinen Gaudium schon mal frisches Obst auf den Köpfen jener Mitreisender, die einzuschlafen wagen.

Legendärer Suhi-Treff

Auch kulinarisch zieht er vertraute Gerichte vor, weshalb es ihn gleich doppelt überraschen musste, als ihn sein Dienstherr Donald Rumsfeld jüngst zu Sushi einlud. "Irgendwann am Nachmittag sagte er zu mir: Los, gehen wir Sushi essen, und ich sagte: Was sollen wir essen!?", erinnerte sich der General an die erstaunliche Szene. "Ich sagte, dass es eine Ehre für mich sein würde, solange er mir nur zeigt, wie man das isst." Die Mahlzeit in einer schicken Sushi-Bar in Washingtons Schickeriaviertel Georgetown zementierte eine Freundschaft zweier Männer, die unterschiedlicher nicht sein könnten: hier der langsame, vorsichtige und methodische Militär; dort der ungeduldige, mitunter tollkühne und hyperintellektuelle Pentagon-Chef.

Der Offizier und der Minister

Lange waren sich die beiden nicht grün gewesen. Als zu konventionell und einfallslos hatte Rumsfeld den ersten Schlachtplan zurückgehen lassen, den Franks für den Irak-Konflikt vorgelegt hatte. Der Offizier wiederum misstraute lange Zeit zutiefst der blinden Zuversicht, welche der technologiegläubige Minister in Spezialtruppen und andere neumodische Taktiken setzt. "Das merkt man dem Irak-Plan auch an", bemerkte ein Centcom-Offizier. "Die beiden haben immer und immer wieder daran herumgezupft, ihn massiert und gedreht und gewendet." Als Soldat mit Fronterfahrung kennt Franks zudem die Grenzen militärischer Vorbereitung: "Kein Plan überlebt den Aufprall auf den Feind", lautet eines seiner wenigen Mottos.

Pokern um die Truppen-Größe

Am Ende setzte sich Franks mit seiner wichtigsten Forderung nach einer über-wältigend großen Truppenstreitmacht durch. Seinem Minister hätten weitaus weniger als die 250.000 Soldaten genügt, die er jetzt ins Feld führen kann. "Rumsfeld weiß nicht immer, was er will, aber er weiß, was er nicht will", erklärte ein Pentagon-Mitarbeiter die Denkstrukturen seines aufbrausenden Vorgesetzen. "Franks ist gut darin, für ihn herauszufinden, was er will." Rumsfeld jedenfalls scheint dieser Einschätzung der Fähigkeiten seines Generals zuzustimmen: "Er ist intelligent, von rascher Auffassungsgabe, und er versteht was von seiner Sache", lobte er Franks schon vor dem legendären Sushi-Essen. Auch Bush hat sich mehrmals lobend über seinen Spitzenoffizier geäußert.

Kritik am zögerlichen Einmarsch

Wenn er ihn hätte entlassen wollen, so hätte sich im vergangenen Jahr die Möglichkeit ergeben, als Franks zur Pensionierung anstand. Doch der Offizier blieb ihm Amt, und die Regierung hat sich stets schützend vor ihn gestellt, wann immer Kritik aufkam.

Das war so, als man Franks vorwarf, durch allzu vorsichtiges Zögern bei den Kämpfen in den afghanischen Tora-Bora-Bergen Osama bin Laden entkommen haben zu lassen.

Der General mit der Vier-Sterne-Ehe

Das wiederholte sich, als man dem General zur Last legte, seine Ehefrau Cathy zu Geheimbriefings und auf Dienstreisen mitgenommen zu haben. Beide Vorwürfe verflüchtigten sich rasch: Heute ziehen ihn nur seine Enkel damit auf, dass er bin Laden nicht erwischt hat; und bei Centcom ist es ein offenes Geheimnis, dass Cathy ihren Mann oft auf Flügen begleitet. Sie hat sogar ihren eigenen Sitz. Auf der Rückenlehne sind vier Herzen eingestickt, dort wo auf Tommys Sessel die vier Generalssterne prangen.

Seit dreißig Jahren ist er mit Cathy verheiratet, und noch immer verabschiedet sie ihn jeden Morgen daheim in Tampa mit mit einem Kuss ins Büro. Dann gibt sie ihm stets noch die Bemerkung mit auf den Weg: "Geh und mache die Welt sicherer für die Demokratie." So sah Franks seine Aufgabe in Afghanistan, so sieht er sie auch jetzt wieder im Irak. "Wenn alles vorbei ist", hatte er über seinen Ein-satz am Hindukusch gesagt, "werden wir den 26 Millionen Menschen dort die Möglichkeit gegeben haben, ein anderes und besseres Leben zu führen."

"Niemand hasst den Krieg mehr als ein Soldat"

Dass ein Krieg notwendig ist, um in Afghanistan oder im Irak einen Wandel zum Besseren herbeizuführen, dürfte niemanden mehr bedrücken als Tommy Franks selbst. "Niemand hasst den Krieg mehr als ein Soldat", ist eine Lebensweisheit, die er oft zitiert. Zugleich ist er aber auch ein Profi, der seine Möglichkeiten ebenso gut kennt wie seine Grenzen. "Praktisch seitdem er mit der High School fertig ist, war er immer für Menschen, Geräte und Geld verantwortlich", sagte Ex-General Barry McCaffrey. "Unter dem Strich heißt das: Er weiß ganz genau, was er tut. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er nachts viel Schlaf verliert."

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