Porsche-Lehrling:Rassismus gehört geächtet - aber nicht so

Porsche kündigt einen 17-jährigen Lehrling wegen eines rassistischen Facebook-Kommentars. Das klingt konsequent, nutzt aber niemandem - außer Porsche selbst.

Von Simon Hurtz

Um gleich mal eine Sache klarzustellen: Der Vorschlag, mit einem Flammenwerfer auf Flüchtlingskinder zu zielen, ist menschenverachtend und rassistisch. Wer so etwas sagt, muss nicht nur mit Konsequenzen rechnen - er muss sie auch zu spüren bekommen.

Die Freiwillige Feuerwehr im österreichischen Feldkirchen hatte syrische Flüchtlinge an einem heißen Sommertag mit einer Wasserdusche erfrischt. Das Signal: Ihr seid hier willkommen! Unter einem Foto der Aktion kommentierte ein Facebook-Nutzer allerdings: "Flammenwerfer währe (sic!) da die bessere Lösung."

Der 17-Jährige hatte in seinem Profil auch seinen Arbeitgeber angegeben: Porsche. Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten, der Lehrling wurde mit sofortiger Wirkung gekündigt; eine Entscheidung, getroffen von der höchsten Leitungsebene im Konzern, wie interne E-Mails zeigen. Nicht zuletzt aufgrund ihrer eigenen unrühmlichen NS-Vergangenheit fahren die Stuttgarter eine Null-Toleranz-Politik. Man lehne jegliche Art der Diskriminierung strikt ab, sagte ein Porsche-Sprecher. Der Vorfall habe das Unternehmen zum Handeln gezwungen.

Porsche war zur Reaktion gezwungen

Das stimmt. Porsche musste handeln, schon alleine aus Eigeninteresse: Ein global agierendes Unternehmen kann es sich nicht leisten, mit einer solchen Aussage in Zusammenhang gebracht zu werden. Aber auch aus gesellschaftlicher Verantwortung: Kein Unternehmen, ob Weltkonzern oder Mittelständler, darf es sich leisten, eine solche Aussage unwidersprochen stehen zu lassen.

Nun wird darüber diskutiert, ob die Kündigung arbeitsrechtlich in Ordnung war, aber darum geht es gar nicht. Die Frage ist, ob sie sinnvoll war. Was wurde damit erreicht? Porsche hat ein starkes und unmissverständliches Signal gesetzt, dass rassistische Hetze keine Meinung, keine Dummheit, sondern ein Verbrechen ist. Gut so, zumindest für Porsche.

Hätte Porsche den Auszubildenden lediglich abgemahnt und sich unmissverständlich distanziert, wäre der öffentliche Beifall vermutlich weniger lautstark ausgefallen. Trotzdem wäre es die angemessenere Reaktion gewesen. Jetzt steht ein 17-Jähriger vor einem Scherbenhaufen: Seine Lehrstelle ist er los, und ob er so bald einen neuen Arbeitgeber findet, darf man bezweifeln.

Nur einer profitiert: Porsche

Natürlich hat er sich das selbst zuzuschreiben, und dennoch: Außer Porsche selbst profitiert hier niemand. Das kompromisslose Durchgreifen wird Menschen auch in Zukunft nicht davon abhalten, menschenverachtende Kommentare auf Facebook oder anderswo zu hinterlassen. Oft genug folgte auf rassistische, sexistische oder rufschädigende Äußerungen in sozialen Netzwerken die Kündigung. Dass harte Strafen abschrecken, war schon immer ein Mythos.

Bestrafung hat noch ein anderes Ziel: Täter sollen aus ihren Fehlern lernen und ihr Verhalten hinterfragen. Ein Blick in die Kriminalitätsstatistik zeigt: Vier von zehn 17-jährigen Straftätern verstoßen später erneut gegen das Gesetz. Straffällige Jugendliche brauchen Unterstützung und Betreuung, keine soziale Isolation.

Beim Porsche-Lehrling ist es genauso. Vielleicht bringt ihn der Schuss vor den Bug tatsächlich zum Umdenken, vielleicht war die halbgare Entschuldigung ("Es war ein großer Fehler und ich werde mich ab sofort davon distanzieren. Es tut mir wirklich äußerst leid, und ich hoffe, jeder sollte wissen, dass man so etwas sicher nicht ernst meint") nur unbeholfen formuliert, aber tatsächlich ernst gemeint.

"Sie haben das Leben meines Sohnes zerstört"

Leider ist das unwahrscheinlich. Sascha Thaler hat die ganze Diskussion erst ins Rollen gebracht. Er ist Initiator einer Facebook-Gruppe, die rassistische und fremdenfeindliche Postings sammelt und an den österreichischen Verfassungsschutz weiterleitet. In besonders schweren Fällen informieren die Mitglieder auch den Arbeitgeber, so etwa im Fall Porsche. Die Mutter des Jungen wirft ihm in einer Facebook-Nachricht vor, nicht nur das Leben ihres Kindes zerstört zu haben, sondern das der ganzen Familie. Der Kommentar sei nicht ernst gemeint gewesen, ein blödes Posting, für das er sich entschuldigt habe. "Von der unbedachten Meldung hat keiner Schaden genommen. Haben Sie sich das überlegt?"

Beide Elternteile zeigten Sympathien für rechtes Gedankengut, sagt Thaler. Sie haben Facebook-Seiten wie "Wir sind keine Nazis, nur weil uns die Sicherheit im eigenen Land wichtig ist" oder "Die Unterkunft ist schlecht? Na wo ist das Problem? Ab nach Hause!" mit gefällt mir markiert. Mittlerweile sind ihre Profile auf privat gestellt, doch Screenshots lassen wenig Zweifel an der politischen Orientierung der Familie.

Ist ein Jugendlicher, der in so einem Umfeld groß geworden ist, selbst schuld an seinem verqueren Weltbild? Seine Eltern werden ihn kaum beiseite nehmen, ihm erklären, dass er einen schlimmen Fehler gemacht hat und ihm dabei helfen, sich eine zweite Chance zu erarbeiten. Nein, sie werden ihm einreden, dass Porsche ihm seine Zukunft verbaut hat und ihn in seinem Hass bestärken. Den Jungen in dieser Situation alleine zu lassen, ist fatal.

Jeder verdient eine zweite Chance

Sascha Thaler sieht das genauso. Ein Freund von ihm organisiert die Integrations-Weltmeisterschaft, ein Fußballturnier mit Flüchtlingen. "Wir haben ihm vorgeschlagen, die Menschen kennenzulernen, gegen die er hetzt", sagt Thaler. Der Junge hat ihnen bereits schriftlich geantwortet, er will das Angebot annehmen: "Ich weiß, dass [die Flüchtlinge] Menschen wie du und ich sind", schreibt er. "Ich möchte euch allen zeigen, dass ich ein guter Mensch bin. Meine besten Freunde sind aus einem anderen Land!"

Fremdenfeindlichkeit und Rassismus kann man nicht durch die Angst vor vermeintlicher "Überfremdung" erklären, man muss sie bekämpfen. Aber "Auge um Auge, Ausgrenzung um Ausgrenzung" ist nicht der richtige Ansatz. Bis zu einem gewissen Punkt haben alle Menschen eine zweite Chance verdient. Ein 17-Jähriger mit diesem familiären Hintergrund sollte sie erst recht verdient haben.

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